Selbstliebe ist ein immer gängigerer Begriff, das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer gesunden Selbstliebe steigt – und doch scheint es so, dass Menschen sich immer weniger Zeit nur für sich nehmen, für ihre Gefühle und Gedanken, ihr Innenleben. Wenn wir Zeit haben, nutzen wir sie oft für Ablenkung, statt sich einmal wirklich etwas Gutes zu tun.
Fragen Sie sich, wie man zu einer Liebe und Akzeptanz des eigenen Selbst kommt, zu dieser inneren Zufriedenheit mit sich und damit auch anderen? Wenn es Ihnen auch so geht, ist dieser Artikel etwas für Sie.
Ich werde der Frage nachgehen, was Selbstliebe eigentlich ist und was sie vom Narzissmus und der egoistischen Eigenliebe unterscheidet. Anschließend werde ich auf einige Symptome eingehen, die uns zeigen, dass wir an einem Mangel an Selbstliebe leiden. Zum Abschluss finden Sie einige Tipps, die Ihnen helfen, (wieder) in eine gesunde Selbstliebe zu finden. Damit hoffe ich, Ihnen Ihre Fragen beantworten zu können.
Was ist Selbstliebe?
Selbstliebe bedeutet, sich selbst anzunehmen, mit einem Bewusstsein für die eigene Persönlichkeit, Stärken und Talente, aber auch die Schattenseiten, Fehler und Baustellen. Ein Bewusstsein für die eigenen Fehler ist bei der Selbstliebe vorhanden, ohne sich ständig dafür fertig zu machen oder sich innerlich niederzumachen und sich zu kritisieren – sich also anzunehmen, wie man ist.
Das stiftet Identität. Man könnte auch sagen, man ruht in sich und ist sich seiner selbst sicher. Selbstliebe mündet also automatisch in Selbstsicherheit, ohne dabei die Fähigkeit zu verlieren, sich hinterfragen zu lassen. Menschen, die Selbstliebe praktizieren, bleiben deshalb trotzdem kritikfähig, lassen sich herausfordern und arbeiten weiter an sich.
Dafür ist ein Kontakttreten mit sich und den eigenen Bedürfnissen Voraussetzung. Wir können sie durch Akte der Achtsamkeit und der Selbstfürsorge steigern. Wenn Sie mehr Selbstliebe in sich kultivieren möchten, sollten Sie sich also selbst wahrnehmen lernen, in sich hinein spüren und sich fragen: Wie geht’s mir wirklich? Was brauche ich (gerade)? Auf diese Weise übernehmen Sie Verantwortung für die eigenen (Grund-)Bedürfnisse, indem Sie sie nicht einfach ignorieren oder nur für andere leben.
Der Begriff der Selbstliebe ist eng verwandt mit anderen Konzepten wie: Selbstannahme, Selbstachtung, Selbstzuwendung, Selbstvertrauen, Selbstmitgefühl und Selbstwert.
Im Gegensatz zur Selbstliebe ist Narzissmus dagegen eine überhebliche Selbstverliebtheit bzw. Arroganz, die aber eigentlich in einem tiefen Selbstwertproblem wurzelt. Dies äußert sich unter anderem darin, dass Narzissten nicht kritikfähig sind.
Egoistische Eigenliebe wiederum stellt nur sich selbst in den Mittelpunkt und vergisst dabei, dass zu einer gesunden Selbstliebe und der Befriedigung unserer Bedürfnisse auch das Eingebettet sein in ein soziales Umfeld, in vertrauensvolle, ebenbürtige Kontakte und Freundschaften notwendig ist. Ein Egoist schaut nur auf seine Bedürfnisse und missachtet mit seinem „Jetzt gönn ich mir mal was“ oft die Grenzen anderer. Er entschuldigt seine eigenen Fehler, statt dafür Verantwortung zu übernehmen, und verletzt andere damit unter Umständen regelmäßig oder wird übergriffig.
Woran wir merken, dass uns Selbstliebe fehlt
Ein Mangel an Selbstliebe kann auf einen Mangel an Wertschätzung und Annahme in der Kindheit zurückzuführen sein. Zudem spielen auch soziale Erwartungen an uns eine Rolle, die uns weismachen, dass wir immer hilfsbereit und freundlich und für andere da sein sollen. Dies birgt die Gefahr, dass wir mehr für andere leben als für uns und (hauptsächlich) deren Erwartungen erfüllen möchten.
Mangelnde Selbstliebe hat fast immer mit fehlender Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu tun. Wenn man aber genauer hinschaut, erkennt man, dass sie noch viele andere Gesichter hat und sich in unterschiedlichen Facetten zeigen kann. Hier finden Sie einen Überblick:
1. Fehlende Offenheit für eigene Gefühle – Funktionsmodus
Mangelnde Selbstliebe kommt von einer fehlenden Offenheit für die eigenen Gefühle, unseren Innenbereich. Dies hängt damit zusammen, dass uns Stress und Druck davon abhalten, in uns hineinzuhören und Verantwortung für uns selbst zu übernehmen.
Stattdessen verfallen wir immer mehr in einen Funktionsmodus, gönnen uns keine Ruhe oder Pausen und kümmern uns nicht mehr gut um uns und unsere Bedürfnisse. Wir werden hart zu uns selbst.
Zudem kommen innere Sätze hoch, die uns ständig kritisieren (Innerer Kritiker) oder antreiben (Innerer Antreiber). Innerlich machen wir uns auf diese Weise ständig nieder, maßregeln uns oder ermahnen uns zum Durchhalten, z.B. durch Sätze wie „Du kann aber auch gar nichts“ „Schon wieder versagt“ oder „Ein Indianer kennt kein Schmerz“ „Zähne zusammen und durch“.
2. Schuld bei anderen suchen
Bei mangelnder Selbstliebe suchen Betroffene immer wieder die Schuld für eigene Emotionen, Stimmungen, aber auch Handlungen und Fehler bei anderen. Dann fallen z.B. Sätze wie: „Wenn du XY kennen würdest, würdest du verstehen, dass ich immer so schlecht drauf bin.“ „Wenn XY nur so und so handeln würde, wäre alles besser.”
Die Verantwortung für den eigenen „Innenbereich“ wird so ausgelagert. Dadurch ändert sich aber nichts, weil wir immer auf die Veränderungen der anderen warten.
3. Ständige schlechte Stimmung und Krisen
Durch fehlende Selbstliebe kommt es dazu, dass man es uns nicht recht machen kann. Wir sind mit nichts zufrieden, auch wenn es (objektiv) ganz gut läuft.
Außerdem neigen wir dazu, anderen nichts zu gönnen. Wir gönnen anderen nämlich lieber etwas, wenn es auch uns gut geht. Frei nach dem Motto: „Es soll ja schon gerecht zugehen mit dem Glück!“. Selbstliebe hängt deshalb auch unmittelbar mit der Liebe und Anerkennung zusammen, die wir anderen geben.
Außerdem kann es dazu kommen, dass wir immer wieder in Krisen verfallen. Das kann von Identitätskrisen, Sinnkrisen, Lebenskrisen oder emotionale Krisen alles sein und liegt daran, dass auf einmal alles herauskommt, was sich in uns schon lange angestaut hat, was wir aber nicht bemerkt haben, weil wir uns selbst schon lange nicht mehr „zugehört“ haben.
4. Körperliche Symptome, Süchte
Wenn wir unsere inneren Bedürfnisse ständig ignorieren und übergehen, äußert sich das nach einer gewissen Zeit oft auch auf körperlicher Ebene. Dann können körperliche Symptome wie z.B. Schmerzen, Verspannungen, Magen-Darm etc. auftreten, die uns signalisieren, dass in uns etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Außerdem kann es zu einem verstärkten Einsatz von (Ersatz-)Drogen oder Genussmitteln kommen, statt einer echten Befriedigung unserer Grundbedürfnisse. Diese haben den Zweck, uns kurzfristig zufriedenzustellen, uns abzulenken oder zu betäuben. Da die Ursache der fehlenden Bedürfnisbefriedigung und Selbstliebe jedoch weiterhin ungelöst bleibt, können uns diese langfristig nicht weiterhelfen, sondern bergen im Gegenteil sogar die Gefahr, dass wir in eine Sucht abrutschen.
Schritte der Selbstliebe
Selbstliebe fällt uns oft schwer, und, wie wir gesehen haben, gibt es viele Symptome für eine fehlende Selbstliebe. Wahrscheinlich haben Sie sich in dem ein oder anderen Aspekt wiedererkannt. Diese Erkenntnis ist aber der erste Schritt für eine Veränderung, einen Neuanfang und Heilung. Wenn Sie (wieder) Selbstliebe in Ihrem Leben praktizieren, bekämpfen Sie damit wahrscheinlich viele Probleme, weil Sie die Sache an der Wurzel anpacken.
Im Folgenden möchte ich Ihnen deshalb drei Schritte an die Hand geben, wie Sie zu einer gesunden Selbstliebe finden können.
- Innehalten: Schaffen Sie sich immer wieder Momente am Tag, an denen Sie eine kurze Pause einlegen. Einfach mal bei sich ankommen, Ihren Körperempfindungen oder Ihrem Atem nachspüren. Im Hier und Jetzt ankommen.
- Hinschauen: Gestatten Sie Ihren Gefühlen in solchen Momenten Raum einzunehmen. Hören Sie in sich hinein. Fragen Sie sich: Wie geht es mir gerade? Wofür bin ich dankbar? Was wünsche ich mir? Was brauche ich?
- Für sich sorgen: Wenn Sie ein Bedürfnis identifiziert haben, das gerade ungestillt ist, dann versuchen Sie dem Raum zu geben, es zu stillen, auf eine gute, wohltuende Art und Weise. Wenn Sie z.B. merken, dass Sie gerade sehr gestresst sind und Ruhe brauchen, nehmen Sie sich fünf Minuten, wo Sie sich einfach einmal mit einer Tasse hinsetzen und nichts tun!
Sie werden sehen, dass Sie mit diesem einfachen Dreischritt in Ihrer Selbstliebe wachsen können. Versuchen Sie, ehrlich zu sein mit sich. Und haben Sie besonders am Anfang etwas Geduld. Wenn Sie sich vorher wenig mit Ihren Emotionen und Bedürfnissen beschäftigt haben, braucht es etwas Zeit, bis sich diese „melden“ und Sie in der Lage sind, diese in Worte zu fassen. Und auch was die Methoden angeht, wie Sie gut für sich sorgen können, kann es sein, dass Sie sich zu Beginn erst unsicher sind und die ein oder andere erst noch ausprobieren.
Tipps für einen Lebensstil von Selbstliebe
In diesem abschließenden Kapitel können Sie einige Tipps für das Pflegen Ihrer Selbstliebe finden. Vielleicht schaffen Sie es auch, etwas davon zu einer Gewohnheit in Ihrem Leben werden zu lassen und einen Lebensstil der Selbstliebe zu pflegen. Es wird Ihnen weiterhelfen, Ihre Selbstliebe zu entwickeln – aber auch Stress und ungesunde Lebensweisen abzulegen.
Einige Tipps und Ideen sind:
- Ein Tag pro Woche Ruhe: auch wenn Sie im Schichtdienst sind, Hausarbeit wartet etc. Nutzen Sie zumindest einen Tag am Wochenende oder in der Woche, an dem Sie tatsächlich nichts tun und ruhen!
- offline gehen: Schalten Sie immer wieder mal einen Tag Ihr Handy komplett ab. Einmal im Monat ist ein guter Anfang, je nachdem wie viel Sie sich zutrauen und möchten. Sie werden sehen, dass viele Nachrichten doch nicht so dringend sind, wie sie sonst immer scheinen.
- Verzicht und Fasten: Fasten öffnet uns wieder für die Genüsse des Lebens, die wir sonst im Überfluss haben. Außerdem reinigt und entgiftet es uns von innen. Nach einem oder mehreren Fasttagen steigt die Lebensenergie und der Elan deshalb stark an.
- In die Natur gehen: Gehen Sie zumindest einmal in der Woche hinaus, an die frische Luft, in die Natur. Einfach nur spazieren, auf einer Bank sitzen, weg von Stress und Hektik und zurück zur Natur.
- Einsamkeit und Stille: Wenn Sie lernen, mit der Einsamkeit umzugehen und die Stille zu lieben, gibt es plötzlich nur noch Sie und Sie kommen ins Da-Sein. Vor allem bei sehr menschenorientierten Personen ist hin und wieder ein wenig Einsamkeit heilsam.
- Reflexion und Nachdenken: Verweilen, Kontemplation und innere Sammlung sind Methoden, um immer mehr Raum für sich zu schaffen, wo Ihr Innenleben auch mal „reden“ darf, in denen Sie sich selbst am besten ergründen können.
- Sich mit jemandem Vertrauten austauschen: Ein Gespräch, ein Herzensaustausch mit einem Freund oder dem Partner kann manchmal wichtige Denkanstöße geben und neue Perspektiven auftun.
- Bewegung und Sport: Unser Körper ist nicht nur gemacht, um täglich den Bürostuhl zu drücken und abends noch aufs Sofa zu lümmeln. Sport und Bewegung tun uns gut, stärken das Immunsystem und unsere Kondition und Belastbarkeit – und kurbeln unser Denken an.
- Genug schlafen: Gönnen Sie sich genug Schlaf. Ausgeruht ist sowohl unsere Stimmung besser, als auch unser Denken klarer und effektiver und unsere Körperfunktionen voll am Laufen.
- Körperliche Nähe und Berührungen: zwischendurch tut es (fast) jedem Menschen einmal gut, einfach nur in den Arm genommen zu werden. Eine Umarmung schafft Nähe und wir fühlen uns verstanden – ganz ohne Worte.
- Schönheit genießen: Wenn Sie gerne Musik hören, ins Theater gehen, eine Ausstellung anschauen, gerne alte Gebäude und Architektur bestaunen, einfach nur die Schönheit der Natur auf sich wirken lassen möchten etc., dann sind das alles schöne Dinge, die uns still und ehrfürchtig werden lassen und ins Genießen bringen.
- Sich besondere (Genuss- oder Freuden-)Momente schaffen: Solche Momente brauchen wir immer wieder, weil sie uns zeigen, dass es so viel Schönes gibt, an dem wir uns freuen können. Und solche Dinge müssen wir uns schenken lassen. Wir brauchen sie zwar nicht unbedingt und irgendwann sind sie wieder vorbei, aber genau diese „Unverzwecktheit“ lässt die Liebe wachsen und wir tun uns damit wirklich etwas Gutes.
Fazit
Tatsächlich wissen wir alle, dass wir nicht immer nur „funktionieren“ können oder nur für andere oder den Beruf leben sollten. Trotzdem finden wir uns immer wieder in diesem Hamsterrad und müssen uns in Erinnerung rufen, dass wir auch uns selbst nicht vergessen dürfen.
Selbstliebe ist eine schwierige Übung – so scheint es. Aber sie ist auch ein Schlüssel für so vieles – eine wichtige Voraussetzung für ein gelingendes Leben, für innere Zufriedenheit und Glück.
Das Positive daran: Wenn wir uns immer mehr darin einüben, wird es uns leichter fallen. Vielleicht können Ihnen die genannten Schritte und Tipps hierbei eine Hilfestellung sein. Hilfe für ein erfülltes, liebevolles Leben mit sich und in der Folge auch mit anderen.
Denn: Selbstliebe strahlt aus.
Alles Gute dafür!