Die Borderline Persönlichkeitsstörung
Der Borderliner hat das Problem, dass er sich nicht sicher ist, ob das, was er empfindet, auch in Ordnung ist. Und wenn er das Gefühl hat, dass es richtig ist, muss er es sofort wieder in Frage stellen, bis er sich sicher ist, dass es falsch war. Der Betroffene kann sich also nie sicher sein und wenn er sich sicher ist, dann ist er sich sicher, dass seine Gefühle und Entscheidungen falsch sind. Diese emotionale Instabilität ist das Dilemma der Borderline Persönlichkeitsstörung.
Symptome der Borderline Persönlichkeitsstörung
Da der Borderliner das Gefühl hat, ohnehin nie das zu bekommen, was er sich wünscht, geht er in die Autoaggression (selbstverletzendes Verhalten). Das können zum Beispiel körperliche Verletzungen (z.B. Ritzen, Verbrennen), aber auch verletzende Beziehungen sein. Damit hat er dann wieder einen Grund, sich selbst abzuwerten und zu hassen. Die zugrundeliegende Dynamik lässt sich also wie folgt beschreiben: Wenn ich mich massiv selbst entwerte, habe ich zumindest Sicherheit, dass es schon wieder nicht gepasst hat und dass es falsch war.
Neben Autoaggressivität zeigt sich die Borderline Persönlichkeitsstörung auch in Form von Impulsivität (Essanfälle, Verschwendung, Sexualität, etc.), starken Stimmungsschwankungen, Wutanfällen, instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen, einem Gefühl der Leere oder einem schwankenden bzw. negativen Selbstbild (Identitätsstörung).
Zusätzlich zu den typischen Symptomen treten aber meist noch andere Symptome auf, zum Beispiel Neigung zur Sucht, große Verlustängste, Depressionen, psychosomatische Störungen, Hysterie, Zwänge, Depersonalisation oder ein gestörtes Sozialverhalten.
Ambivalentes Verhalten von engen Bezugspersonen
Die Ursache der Borderline Persönlichkeitsstörung ist häufig in einer permanent ambivalenten Haltung von Mutter und/oder Vater zu finden. Der Elternteil ist einmal verständnisvoll und dann wieder komplett verstörend, aggressiv, ablehnend oder abweisend. Das Kind wird zum Beispiel für ein und dieselbe Sache einmal scharf getadelt oder massiv bestraft, während dasselbe Verhalten beim nächsten Mal vollkommen in Ordnung ist. Die Bewertung des Verhaltens ist einmal positiv und ein andermal negativ.
Auch Doppelbindungen, die von zwei widersprüchlichen Botschaften in einer Interaktion gekennzeichnet sind, finden sich oftmals in solchen Konstellationen – zum Beispiel: „Ich schlage dich nur, weil ich dich liebe“ oder „Ich liebe dich nur, wenn …“ oder „Wenn du so bist, dann …“. Das kann dazu führen, dass das Kind in Hinblick auf die Liebe der Eltern sehr unsicher wird und die eigenen Wahrnehmungen und Gefühle zur Aufrechterhaltung der Beziehung zu den Eltern ignoriert.
Das sind schwerwiegende Dinge, die ein Kind nicht verarbeiten kann, weil es einfach nicht mehr unterscheiden kann, was richtig und was falsch ist bzw. was es tun soll. Daraus resultiert eine enorme Verunsicherung („es passt soundso nie“) und letztlich das Dilemma des Borderliners: Sicher ist nur, dass alles unsicher ist.
Abtötung der Gefühle als Überlebensstrategie
Diese Ambivalenz enger Bezugspersonen führt dazu, dass sich Betroffene irgendwann selbst nicht mehr spüren. Sie sind in einem tranceartigen, gefühllosen Zustand gefangen, der häufig mit einem depressiven Gefühl verbunden ist. Irgendwann ist die Verzweiflung und Unsicherheit dann so groß, dass sie sich selbst wehtun oder andere massive Reize anwenden müssen, um sich selbst wahrzunehmen. Der Schmerz stellt eine gewisse Entlastung dar, denn wenn das Blut rinnt und der Schmerz spürbar ist, fühlt sich der Borderliner wieder wach und weiß, dass er zumindest noch „da“ ist.
Borderline Persönlichkeitsstörung und Partnerschaft
Unbewusst sucht sich der Borderliner oft Partner, die ebenfalls ambivalent agieren, Verunsicherung schaffen oder aus anderen Gründen destruktiv sind und überhaupt nicht passen. Aber anstatt das Verhalten des Partners objektiv als destruktiv zu erkennen, beginnt der Borderliner sich selbst zu beschuldigen und abzuwerten: „Natürlich funktioniert es auch diesmal wieder nicht, ich bin einfach zu blöd, ich bin schuld, ich bin es ja auch gar nicht wert, …“.
Das Entwertungsmuster zeigt sich oft auch schon in der Kennenlernphase. Ein Borderliner lernt zum Beispiel jemanden über eine Partnerbörse kennen. Bereits im Erstkontakt über Mail oder SMS erkennt er, dass diese Person aggressiv ist, trifft sie aber dennoch. Der Borderliner fühlt sich trotz besseren Wissens hin- und hergerissen zwischen „Ich darf diese Person auf keinen Fall treffen“ und „Ich bin ohnehin für alles zu blöd und verdiene auch nichts anderes mehr“. Nicht selten kommt es dann bald zu unangenehmen Erlebnissen bis hin zu einer Vergewaltigung (Self Fulfilling Prophecy).
Männer, die mehrere Kinder mit jeweils verschiedenen Frauen zeugen und dann in Alimenten untergehen, sind ein weiteres Beispiel für diese Dynamik. Obwohl der Mann nur Nähe, Beziehung und Liebe sucht, wählt er immer wieder Frauen, die letztlich nicht zu ihm passen.
In solchen Fällen ist oft ein unbewusster Magnetismus wirksam, der eine gewisse Zwanghaftigkeit dahingehend auslöst, sich mit einer destruktiven Person trotz aller verstandesmäßiger Vorbehalte einzulassen. Letztlich ist dieser Magnetismus nichts anderes als ein Suchtverhalten. Dahinter stehen Gedankenkonstrukte wie z.B. „Das kann doch nicht sein, ich muss das doch einmal schaffen, da muss doch einmal ein passender Partner dabei sein, …“.
Borderliner und Narzissten
Zwischen Borderliner und Narzissten besteht dieser Magnetismus ebenfalls häufig, da der Borderliner im Narzissten einen abwertenden Partner findet, der ihn in seiner Selbstbeschuldigung und seinem Selbsthass bereitwillig bestätigt.
Die Verunsicherung und permanente Selbstbeschuldigung des Borderliners verstellt den Blick auf die Realität. Er sucht sich quasi automatisch Menschen, die nicht zu ihm passen und bestätigt damit, dass er ohnehin nie das bekommt, was er möchte. Damit schließt sich der Kreis und er hat wieder einen Grund, sich selbst zu hassen, weil er ja doch für alles zu blöd ist.
Gefühle wieder „lernen“
In der Therapie geht es für den Betroffenen einer Borderline Persönlichkeitsstörung darum, seine Gefühle wieder wahrzunehmen und sich ihrer sicher zu werden. Der Betroffene muss sich selbst wieder vertrauen können, dass das, was er empfindet, in Ordnung ist. Das mag vielleicht einfach klingen, es erfordert jedoch einen längeren Prozess, um den Kontakt zu den Gefühlen wiederherzustellen und vor allem Sicherheit nachhaltig aufzubauen.