Ständige Angstgefühle in zwischenmenschlichen Situationen erleiden Menschen, die unter einer sozialen Angststörung leiden. Die soziale Phobie ist eine weitverbreitete Krankheit, die das alltägliche Leben des Betroffenen stark einschränken kann. Erfahren Sie in diesem Beitrag, welche Eigenheiten und Ursachen der Sozialphobie zu Grunde liegen und wie eine Therapie helfen.
Was ist eine Sozialphobie?
Die Sozialphobie ist eine psychische Erkrankung, die eine Angststörung darstellt und der Gruppe der phobischen Ängste zuzuordnen ist. Das zentrale Merkmal ist die Furcht vor Situationen, in der Betroffene sich durch Beobachtung anderer ausgesetzt fühlen, und dabei negativ von diesen bewertet werden könnten. Menschen, die unter sozialer Phobie leiden, haben Angst, als peinlich, beschämend oder merkwürdig zu gelten. Die Angst kann in jeglicher Situation auftreten, die andere Menschen inkludiert, so etwa beim Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, bei Unterhaltungen mit Fremden, darüber auch beim Umgang mit Autoritätspersonen oder Menschen des begehrten Geschlechts.
Häufigkeit und Vorkommen
Neben der Agoraphobie stellt die soziale Phobie die häufigste Angststörung dar. Nach Schätzungen zufolge leiden zwei bis zehn Prozent der Bevölkerung an der Erkrankung; Frauen sind, im Gegensatz zu Männern, fast doppelt so oft betroffen. Der Beginn der Störung liegt oftmals bereits im Kindes- oder Jugendalter vor. Die Erkrankung verläuft in den meisten Fällen chronisch und bringt oftmals Begleiterkrankungen mit sich, durch dessen Auftreten oft erst eine Auffälligkeit der sozialen Angststörung auftritt.
Beschwerdebild der Sozialphobie
Im Folgenden wird das Beschwerdebild der Sozialphobie erläutert, welches sich aus psychischen und physischen Symptomen zusammensetzt.
Psychische Symptome
Die Betroffenen verspüren eine irrationale Angst davor, von anderen betrachtet und negativ bewertet zu werden. Sie haben Angst davor, abgelehnt zu werden oder sich zu blamieren; ihr Verhalten empfinden sie als ein peinlich und fürchten, ihre Nervosität nach außen zu tragen. Sichtbare körperliche Symptome, die begleitend zur Angst auftreten können, verstärken dieses Gefühl. Die ständigen Furchtgefühle können zur „Angst vor der Angst“ führen, weshalb Betroffene versuchen, die entsprechenden Situationen zu vermeiden. Dies führt nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität, sondern kann mitunter eine vollkommene soziale Isolation mit sich bringen.
Sozialphobiker pflegen eine äußerst kritische und negative Selbstbeobachtung und neigen daher zu Minderwertigkeitsgefühlen.
Physische Symptome
Die Angst wird oft begleitend von vegetativen Funktionen, welche die Betroffenen zusätzlich verunsichern und verängstigen können. Neben sichtbaren Symptomen, wie Erröten, Zittern oder Schwitzen, können zusätzliche Empfindungen wie Herzrasen, Atemnot, Schluckbeschwerden, Hitzewallungen, Kälteschauer, Übelkeit, Schwindel- und Schwächegefühl, Enge im Brustkorb, ausgeprägter Harndrang, Durchfall und Verkrampfungen auftreten, die sich bis zur Panikattacke steigern können.
Diagnose, Subtypen und Differentialdiagnostik
Eine differenzierte Diagnostik ist unabkömmlich, um Betroffenen geeignete Therapiemaßnahmen zu bieten. Komplikation ergeben sich daraus, die Erkrankung von gewöhnlicher Schüchternheit zu unterscheiden zu können und eine Abgrenzung zu Persönlichkeitsstörungen zu vollziehen.
Diagnose
Entsprechend der ICD-10-Nomenklatur muss bei einer Sozialphobie mindestens eines der zwei Hauptsymptome vorliegen:
1. Große Furcht davor, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich beschämend oder erniedrigend zu verhalten
2. Vermeidung der Situationen, bei denen Angst besteht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich beschämend und erniedrigend zu verhalten
Zusätzlich müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei körperliche Symptome, wie oben benannt, auftreten.
Subtypen
Unterschieden wird außerdem zwischen zwei Subtypen, dem generalisierten und dem nicht generalisierten Typus.
Der generalisierte Typus zeichnet sich dadurch aus, dass die Angst in mehr als zwei Situationen außerhalb des gewohnten Umfelds auftritt. Die soziale Angststörung trifft oft früher auf und bleibt konstant bestehen. Die phobischen Situationen nehmen im Verlauf der Krankheit immer weiter zu. Dementsprechend weist dieser Typus ein höheres Risiko für Begleiterkrankungen auf, ist aber leichter zu identifizieren.
Beim nicht generalisierten Typus hingegen finden sich nur ein bis zwei gefürchtete Situationen vor – Betroffene suchen sich oft erst spät Hilfe, dadurch wird die frühzeitige Erkennung der sozialen Phobie erschwert; auch, weil dieser Typus seltener durch andere Störungsbilder begleitet wird.
Begleiterkrankungen
Oftmals versuchen Betroffene ihre Symptome durch Alkohol- und Drogenmissbrauch zu dämpfen, weshalb eine Abhängigkeit der Substanzen eine häufige Begleiterkrankung der sozialen Phobie darstellt. Neben Depressionen können sich die Ängste ebenso verallgemeinern und eine generalisierte Angststörung zur Folge haben. Außerdem treten oftmals Zwangs- und Esserkrankungen auf.
Das Zusammenspiel verschiedener Störungsbilder, die Komorbidität, verstärkt den Leidensdruck der Betroffenen enorm und erschwert die Diagnosestellung und Therapie.
Schüchternheit als Krankheit
Während andere es genießen, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und leicht soziale Kontakte knüpfen, erfahren andere wiederum Nervosität beim Sprechen vor einer Gruppe und reagieren verunsichert beim Aufeinandertreffen mit Fremden. Ein gewisses Maß an Unsicherheit und Schüchternheit gilt als normal und stellt keine psychische Störung dar, wenn es nicht als belastend erlebt wird. Die soziale Angststörung wird von der gängigen Schüchternheit im Grundsatz davon unterschieden, wenn ein massiver Leidensdruck gegeben ist, der den Betroffen stark beeinträchtigt und zu einem Vermeidungsverhalten führt.
Abgrenzungen
Die soziale Angststörung ähnelt in vielen Aspekten der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, was eine klare Abgrenzung erschwert. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass die Ängste bei Sozialphobikern in konkreten, benennbaren Situationen auftreten, während sich die Symptome bei einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung weit ausgedehnter und abstrakter darstellen und von Betroffenen häufig als Ausdruck ihrer eigenen Persönlichkeit verstanden werden.
Phobische Patienten fürchten, im Gegensatz zu persönlichkeitsgestörten Patienten, die sozialen Begleitumstände, nicht jedoch die allgemeine Intimität und das Offenlegen des eigenen Ichs in engen Beziehungen. Erste Anzeichen einer solchen Persönlichkeitsstörung finden sich bereits in früher Kindheit vor und entwickeln sich chronisch.
Entstehen und Entwicklung der Sozialphobie
Die Ursachen für die Entstehung der Sozialphobie sind noch nicht vollständig erforscht. Die Relation von Vulnerabilität, auslösenden und aufrechterhaltende Faktoren beeinflusst jedoch die Entwicklung der Erkrankung.
1. Vulnerabilitätsfaktoren
Die Vulnerabilität, also Verletzlichkeit, prägt die Anfälligkeit, an einer sozialen Phobie zu erkranken. Durch Zwillingsstudien wurde herausgefunden, dass genetische Ursachen eine Rolle spielen; die soziale Phobie wird zwischen 30 und 35 Prozent vererbt. Ebenso ist das Risiko bei Verwandten von Betroffenen dreifach erhöht, soziale Ängste zu entwickeln.
Forscher machen jedoch auch insbesondere frühkindliche Erfahrungen durch das Erziehungsverhalten der Eltern für die Entstehung einer sozialen Phobie verantwortlich. Kinder, die bereits früh Ablehnung erfahren haben, und in einem Haushalt mit diktatorischem Umgangston aufgewachsen sind, erleben häufig eine Unsicherheit gegenüber anderen Menschen. Dennoch zeigen auch Kinder, die übermäßig behütet aufwachsen, und dessen Erziehungsberechtigte ein erhöhtes, auf Angst aufbauendes, Kontrollverhalten aufweisen, eine höhere Auftretensrate von Angststörungen.
2. Auslösende Faktoren
Der Auslöser der Erkrankung ist oft nicht klar zu benennen. Durch erhöhte Vulnerabilität reichen schon wenige, negative Erfahrungen aus, um die Sozialphobie auszulösen. Ein solches Erlebnis könnte, beispielsweise, Angst vor Ablehnung in einer fremden Gruppe sein, bei der diese tatsächlich eingetreten ist, oder die Angst in einer Prüfungssituation, in welcher man letztendlich versagt hat.
3. Aufrechterhaltende Faktoren
Maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Erkrankung tragen Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten der Betroffen bei. Sozialphobiker meiden oft die, von ihnen, gefürchteten Situationen. Durch dieses Verhalten können Betroffene keinerlei korrektive Erfahrungen machen: Dies stabilisiert den Gedanken, sich zu blamieren oder beschämend aufzutreten. Betroffene denken, dass nur durch das Meiden der Angstsituation die Blamage oder Erniedrigung verhindert werden konnte. Folglich wird dieser Schluss manifestiert, der das Vermeidungsverhalten drastisch ausweiten kann und, gegebenenfalls, bis zur sozialen Isolation führt.
Ebenso fungiert das Sicherheitsverhalten. Beispielsweise lesen Betroffene bei der Angst, sich bei einem Referat zu verhaspeln und den Faden zu verlieren, konstant von ihrem Manuskript ab oder bereiten sich durch die Auswahl von Gesprächsinhalten auf ein Treffen mit Fremden vor. Ersteres kann, durch die Monotonie des Vorlesens, zu einer schlechten Bewertung führen und damit die Angstgedanken des Betroffenen bestätigen, sich blamiert zu haben, was ebenso zu einer Aufrechterhaltung der Furcht führt.
Das zweite Beispiel führt nahe, dass Sozialphobiker oft überkontrolliert in sozialen Situationen agieren; der Gedanke, dass eine Ablehnung nur durch korrekte Vorbereitung und strikte Einhaltung des Gesprächsplans verhindert werden konnte, bestärkt den Betroffenen in seinen Befürchtungen und hält diese aufrecht.
Behandlungsmethoden der Sozialphobie
Es stehen unterschiedliche Methoden zur Behandlung einer sozialen Angststörung zur Verfügung, die dabei helfen, die Erkrankung vollständig zu heilen.
Kognitive Verhaltenstherapie
Der Grundstein der kognitiven Verhaltenstherapie bei sozialphobischen Patienten basiert auf Expositionsübungen. Diese Methode hat sich in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien als wirksam erwiesen und besteht im Grundsatz daraus, eine Konfrontation mit angstauslösenden Reizen zu provozieren. Die Erfolgsquote dieser Therapiemethode liegt bei etwa 90 Prozent und ist damit überdurchschnittlich hoch.
Die Konfrontation wird mit dem Patienten therapeutisch vorbereitet und die Schwierigkeit der einzelnen Übungen steigert sich stufenweise. Am Anfang werden die Übungen üblicherweise zusammen mit dem Therapeuten durchgeführt, mit dem Ziel, dass der Patient diese auch nach Beendigung der Therapie alleine weiter fortführen kann.
In der Exposition begibt sich der Patient, entgegen des Vermeidungsverhaltens, bewusst in eine, von ihm gefürchtete, Situation, um korrektive Erfahrungen zu sammeln und eine stärkere Bewältigungsfähigkeit der gefürchteten Situation zu gewinnen. Durch eine konstante Gewöhnung an die angstauslösenden Reize kann die Angst nach und nach vermindert werden.
Ebenso lernt der Patient innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie, den eigenen Perfektionsanspruch zu überwinden, mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln und mögliche Fehler akzeptieren zu können. Ebenso soll die Definition durch Meinungen anderer verhindert werden.
Unterstützend zur Therapie werden körperliche Entspannungstechniken, wie progressive Muskelentspannung, spezielle Atemtechniken oder autogenes Training, angewandt, um Ängste zu lindern.
Tiefenpsychologie
Ebenfalls kann tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie angewandt werden, die sich auf, in der Tiefe des Unterbewusstseins liegende, psychische Vorgänge konzentriert. Das Aufarbeiten von verdrängten Erfahrungen und unbewussten Konflikten soll eine Verringerung der Beschwerden zur Folge haben. In der Therapie werden dem Betroffenen die unbewussten Vorgänge deutlich gemacht, damit diese erkannt und gezielt bearbeitet werden können. Im Gegensatz zur kognitiven Verhaltenstherapie ist die Wirksamkeit dieser Therapieform bei der Behandlung von sozialen Ängsten noch nicht weitreichend anerkannt.
Medikamente
Im Falle einer nicht ausreichenden Linderung der Beschwerden durch alleinige Gesprächstherapie ist es durchaus sinnvoll, zusätzlich eine medikamentöse Therapie anzustreben. Am häufigsten werden dabei Antidepressiva eingesetzt, die sich vor allem bei einer Komorbidität mit einer depressiven Störung empfehlen.
Primär verwendet werden Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Escitalopram, Sertralin und Paroxetin, die die Konzentration von Serotonin im Gehirn erhöhen. Ebenfalls werden Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wie Venlafaxin eingesetzt, die zusätzlich den Rücktransport von Noradrenalin hemmen.
Die Medikamente wirken stimmungsaufhellend, antriebssteigernd und angstlösend. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass es nur zu einer Abschwächung der Symptome kommt. Eine Heilung der Erkrankung ist allein durch Medikamente nicht möglich, weshalb sie immer mit einer Psychotherapie kombiniert werden sollten.
Für akut belastende Situationen können außerdem Benzodiazepine, wie Lorazepam, eingesetzt werden. Aufgrund des hohen Risikos, eine Abhängigkeit zu entwickeln, wird der Einsatz dieses Medikaments nur in konkreten Einzelfällen in Betracht gezogen. Ebenso finden leichte Beruhigungsmittel, wie das Neuroleptikum Promethazin, Gebrauch.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die kognitive Verhaltenstherapie als erste Wahl betrachtet werden sollte; Ergebnisse von Metaanalysen zeigen, dass diese die größte und anhaltendste Wirkung bei der Behandlung von einer Sozialphobie aufweist. Eine kombinierte Therapie mit Einsatz von Medikamenten sollte nur in schweren Fällen in Betracht gezogen werden.
Was können Freunde und Angehörige tun?
Bei einem Verdacht, dass ein Bekannter unter einer Angsterkrankung leidet, sollte dieser auf jeden Fall ermutigt werden, einen Arzt aufzusuchen. Oft ist der Weg zur Erkenntnis, dass Hilfe benötigt wird, schwer. Nicht selten schämen sich Betroffene für ihre Ängste und fühlen sich machtlos. Angehörige sollten dem Betroffenen unterstützend und verständnisvoll zur Seite stehen, und offen mit ihm über die Erkrankung sprechen. Die Befürchtungen sollten ernstgenommen werden, jedoch sollten nicht alle angstauslösenden Aufgaben, wie beispielsweise ein Anruf zur Vergabe eines Arzttermins, für den Betroffenen übernommen werden, da dies weiterhin zu einer Aufrechterhaltung der Erkrankung führen kann.
Nicht jedoch nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für Angehörige ist eine Angsterkrankung eine extreme Belastung. Einen starken Einfluss übt sie auch auf das Leben anderer aus. So werden gemeinsame Unternehmungen, wie Feiern oder andere gesellschaftliche Zusammenkünfte, gemieden. Deshalb sollten Angehörige immer darauf achten, sich nicht zu übernehmen. Die körperliche und mentale Gesundheit sollte beobachtet, eigene Hobbies nicht vernachlässigt werden. Für Angehörige von Menschen mit Angsterkrankungen gibt es spezielle Selbsthilfegruppen, die im Umgang mit Betroffenen unterstützen können.
Wenn Angehörige zu sehr unter der Erkrankung leiden, ist ein Besuch beim Arzt zu empfehlen, der gegebenenfalls eine Psychotherapie anordnen kann.
Fazit zur Sozialphobie
Die soziale Phobie ist eine der weit verbreitetsten Angsterkrankungen, die sich durch Furcht vor Situationen auszeichnet, in denen sich der Betroffene beschämend verhalten, und dadurch negativ von anderen bewertet werden, könnte. Ein geringes Selbstwertgefühl gepaart mit kritischer Beobachtung des eigenen Ichs verursacht einen großen Leidensdruck bei Betroffenen. Ein verhängnisvolles Vermeidungsverhalten kann bis zur sozialen Isolation führen. Durch eine kognitive Verhaltenstherapie, die auf Expositionsübungen basiert, oder einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, können die Beschwerden dauerhaft gelindert und die Erkrankung geheilt werden. In manchen Fällen ist eine zusätzliche medikamentöse Therapie sinnvoll.