Übergewicht – Modekrankheit
Übergewicht betrifft derzeit um die 32% aller Menschen in Österreich, die Tendenz steigt weiterhin. Warum? Weil zu viel vom Falschen gegessen wird und wir nicht alle gleich sind, wenn es um unseren Stoffwechsel geht. Viele versuchen – oft vergeblich – abzunehmen und dadurch Lebensqualität und Wohlgefühl zurückzugewinnen. Aber wann ist man eigentlich betroffen und was kann ich als Betroffener tun?
Ab wann ist man übergewichtig?
Unterschiedliche Möglichkeiten zur Berechnung diverser Indices erlauben es jedem selbst die Probe zu machen ob man an Übergewicht – oder sogar an Adipositas – leidet. In der westlichen Welt hat sich aufgrund der relativen Leichtigkeit der Berechnung der BMI oder Body-Mass-Index durchgesetzt, zu Deutsch also Körpermassenindex. Hier wird lediglich Körpermasse und Größe einer Person gegenübergestellt und das Ergebnis mit einer Tabelle an Werten verglichen, die letztendlich eine Aussage darüber trifft in welchem Bereich sich die Person befindet.
Die konkrete Formel lautet BMI = m/l², wobei m die Körpermasse in Kilogramm ist und l² die Körpergröße in Meter zum Quadrat bedeutet. Ist das Ergebnis größer als 25, so ist man übergewichtig, ab 30 spricht man sogar von Adipositas, der Fettleibigkeit. Der weniger bekannte Ponderal-Index ist in diesen Fällen genauer, hat aber ebenso seine Limitationen.
Leider ist der BMI für Kinder, besonders große Menschen, oder schlichtweg extrem muskulöse Menschen sehr ungenau und wenn Zweifel besteht, sollte ein Arzt oder Therapeut konsultiert werden.
Welche Faktoren begünstigen Übergewicht?
Folgende Faktoren sind verantwortlich und/oder begünstigen Übergewichtigkeit:
- Essgewohnheiten: Hauptverantwortlich ist unbestritten die Menge der Kalorien, die man täglich zu sich nimmt. Zu viel, vor allem Kohlehydrate, sind bekannte „Dickmacher“, die es zu reduzieren und sogar zu vermeiden gilt, wenn man sein Gewicht in den Griff bekommen möchte. Viel zu häufig ist allerdings nicht nur die Menge, sondern auch der Zeitpunkt das Problem. So führen vor allem große Mahlzeiten am Abend zu Übergewicht. In beiden Fällen ist die Regelmäßigkeit ausschlaggebend, wenn man also am Sonntag über die Stränge schlägt, ist nichts verloren, passiert dies allerdings den größten Teil der Woche, ist das Problem wohl klar.
- Bewegungsmangel: Wer sich wenig bewegt baut kaum Kalorien ab, ist die Muskelmasse auch relativ gering, so verbrennt man kaum Energie, vor allem wenn man noch einer sitzenden Tätigkeit nachgeht. Außerdem sind unsere Körper auf Sparsamkeit optimiert, ein Körper, der also in Ruhe gelassen wird, drosselt seinen Metabolismus, um für stressige Zeiten gewappnet zu sein, wodurch noch weniger Energie benötigt wird.
- Metabolische Probleme und Erkrankungen: Viele Personen, die langzeitig an Übergewicht leiden, leiden am sogenannten metabolischen Syndrom oder Syndrom X. Laut Studien und der Welt-Gesundheits-Organisation wird hier von 25% der Gesamtbevölkerung in Industriestaaten ausgegangen. Dies bedeutet vor allem, dass Personen, die lange Zeit an Übergewicht leiden, es umso schwerer haben, Gewicht zu verlieren, da es hier zu einer Entgleisung von Hormonen wie z.B. Insulin oder Leptin kommt. Andere Krankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen (z.B. Hashimoto-Thyreoiditis) können das Entstehen und/oder Beibehalten von Übergewicht nachteilig beeinflussen, ebenso wie bestimmte Medikamente, v.a. gewisse Arten von Antidepressiva.
- Genetische Faktoren: Studien an Zwillingen, sowie Adoptivstudien, haben eindrucksvoll bewiesen, dass es genetische Faktoren geben muss, doch erst seit 2006 wurden die meisten dieser Gene identifiziert und die Mechanismen dahinter verstanden. Hier ist vor allem wichtig, dass je nach Ethnie der Prozentsatz der Betroffenen zwischen 5% und weit über 80% schwanken kann.
- Psychologische Risikofaktoren: Essen macht glücklich, also ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele Menschen aus Frustration vor allem zu fett- und zuckerreichen Speisen greifen. Dies kann sogar zu Essstörungen und Suchterkrankungen führen, z.B. Binge-Eating, die auf regelmäßigen Überkonsum hinauslaufen und somit Übergewicht negativ begünstigen.
- Umweltfaktoren und Schlaf: Nacht- und Schichtarbeiter/innen sind statistisch häufiger von Übergewicht betroffen, die Ursache scheint nicht vollkommen verstanden, doch scheint das Stresshormon Cortisol hier eine zentrale Rolle zu spielen. Denn nicht nur unregelmäßiger Schlaf, sondern auch regelmäßiges, unterbrochenes und zu kurzes Schlafen begünstigt einen hohen Cortisolspiegel und als Konsequenz, Gewichtszunahme und Übergewicht.
- Mangelversorgung: Burger, Schnitzel, Pommes und Co. sind relativ einseitig, wenn es um ihren Nährstoffgehalt außerhalb der reinen Kalorien geht. Viele Vitamine und Mineralstoffe sind nicht nur hilfreich, sondern absolut notwendig, dass unsere Körper funktionieren. Niacin (allgemein Vitamin B3) wurde von Studien im Rahmen von Langzeit-Übergewicht untersucht, da es helfen kann, das Hungergefühl zu normalisieren. Dies geschieht über das Wirken von mehreren Hormonen, die bei Übergewicht drastisch reduziert hergestellt werden. Leider sind eben diese Botenstoffe das Signal an unser Gehirn, dass genügend Nahrung aufgenommen wurde. So legen Studien nahe, dass es hier aus einer Mangelversorgung zur negativen Begünstigung von Übergewicht kommen kann.
- Unser Mikrobiom: Wir sind nicht alleine in unseren Körpern. Haut, Mund, Rachen und vor allem Darm sind Wohnort für einen Mikrokosmos an meist nützlichen Bakterien. Doch sind diese nicht bei jedem gleich. So hat man in der Vergangenheit bewiesen, dass Kinder, die sehr früh mit Antibiotika behandelt werden mussten, vergleichsweise anfällig für Übergewicht im weiteren Lauf ihres Lebens waren. Doch man hat auch gezeigt, dass diese Darmbesiedelung ganz massiv zwischen Übergewichtigen und Normalgewichtigen abweicht. Manche dieser Bakterien können vor allem Kohlenhydrate besser spalten. Dies bedeutet natürlich, dass hier mehr Kalorien „gewonnen“ werden, wodurch Übergewicht begünstigt werden kann. Die Bestimmung des Darm-Mikrobioms kann hier also Aufschluss über ein Risiko geben.
Gesundheitliche Folgen
Übergewicht hat, je länger es einen begleitet, eine einschüchternd breite Palette an Folgen und „Nebenwirkungen“ über die sich die Betroffenen klar sein sollten.
- Hormonelle Folgen: Insulin und sogar Geschlechtshormone entgleisen nach und nach und ein Teufelskreis beginnt. Der Körper wird resistent gegen sein eigenes Insulin, mit unseren Sexualhormonen nehmen die körperliche Aktivität, der Antrieb und die Energie ab. Letztendlich, wenn die Bauchspeicheldrüse die notwendige – und immer steigende Menge – an Insulin nicht länger nachliefern kann, ist die Folge Typ II Diabetes. Dadurch entsteht nicht nur eine massive Einschränkung der Lebensqualität, sondern auch ein entzündliches Milieu, das viele andere Krankheiten begünstigt, z.B Arteriosklerose.
- Schäden am Bewegungsapparat: Unsere Gelenke sind strukturelle Schwachpunkte und Verschleißteile, gibt man Acht darauf, halten sie ein Leben lang. Doch konfrontiert man Rücken, Knie, Fuß und Sprunggelenk über Jahrzehnte hinweg mit viel mehr als sie schaffen können, nützen sich diese vorzeitig ab. Schmerzhafte, entzündliche Arthritis ist häufig die Folge, für Bandscheibenvorfall und Neigung zum Knochenbruch ist bei Übergewicht das Risiko vielfach erhöht.
- Herz-Kreislauferkrankungen: Das Risiko zur Erkrankung durch Arteriosklerose, Bluthochdruck ist bei Übergewicht vielfach erhöht. Diese Dauererkrankungen haben zunächst wenig bis keine Auswirkungen, begünstigen letztendlich jedoch das Entstehen von Schlaganfällen, Aneurysmen und Herzinfarkten.
- Krebs: Leider entsteht durch Übergewicht – wie oben angesprochen – im Körper ein entzündliches Milieu, was bedeutet, dass der Körper mehr Hormone und Stoffe herstellt, die Entzündungen begünstigen. Dies stellt einen andauernden Stress für unsere Zellen dar, wodurch es zu Schäden auf genetischer Ebene kommen kann. Dieser Zustand begünstigt das Entarten von Zellen, die sich im weiteren Verlauf dann in maligne – also bösartige – Zellen transformieren und sich zu einem Tumor auswachsen. Insbesondere wird dadurch die Entstehung von Speiseröhren-, Darm- und Nierenkrebs gefördert, bei Frauen kommt ein erhöhtes Risiko für Brust- und Gebärmutterkrebs hinzu.
Gewichtsreduktion und Kontrolle
Was kann ich als Betroffener also tun um mein Gewicht zu reduzieren oder zu halten? Wie lasse ich es gar nicht so weit kommen?
Selbst Bodybuilding-Superstars wie Dwayne Johnson greifen auf Profis aus dem Bereich Ernährung und Diätberatung zurück, wenn es um ihre Essgewohnheiten geht, und die Fachwelt scheint sich einig zu sein: richtiges Essen ist wichtiger als rigoroses Training.
Aber was heißt „richtig“ in diesem Zusammenhang? Nicht jeder von uns strebt danach am Ende des Tages ein Bodybuilder zu werden, aber Essgewohnheiten zu ändern ist der wichtigste und erste Schritt. Selbst die internationale Agentur für Krebsforschung (Teilorganisation der Weltgesundheitsorganisation) hat dazu Richtlinien verfasst:
- Zucker- bzw. stärkehaltige Lebensmittel meiden und reduzieren, ebenso wie Fette.
- Nüsse, Früchte, Gemüse, Sprossen und Vollkorn vermehrt in die tägliche Ernährung aufnehmen. Rohkost eher vormittags konsumieren, je später am Tag desto eher gegart.
- Mehr Bewegung! Mindestens 60 Minuten pro Tag für Kinder und Jugendliche, 150 Minuten pro Woche mindestens für Erwachsene. Es muss kein „Sport“ sein, wer sich schlaff und unsicher fühlt kann mit schnellem Spazieren anfangen.
Im Detail bedeutet das oft natürlich selbst zu kochen, was viele Leute abschreckt, sowohl aus Zeit-, als auch Kostengründen. Aber mit einem soliden Wochenplan steigt man immer günstiger aus als täglich zum Abendessen z.B. zu Fastfood zu greifen, sei es Burger, Pizza oder Nudeln.
Den Anteil an Gemüse und Obst in der täglichen Nahrungsaufnahme zu erhöhen bedeutet übrigens mindestens zwei Drittel jeder Mahlzeit durch vegetarische Kost zu ersetzen, und davon sollten wiederum nicht mehr als ein Drittel stärkehaltige Kost sein, also z.B. Kartoffeln, Reis, Kichererbsen, etc. Auf Alkohol sollte absolut verzichtet werden, da unsere Leber ein zentraler Dreh- und Angelpunkt unseres Fettstoffwechsels ist, und Alkohol diese beim Abnehmen zusätzlich belastet. Besonders an Tagen besonderer körperlicher Belastung, wie z.B. Training, sollte auf Alkohol vollkommen verzichtet werden.
Übergewicht und Training
Wer nicht trainiert, muss natürlich strenger beim Essen sein und sich in Geduld üben, denn ohne weitere Hilfe ist auch eine rigorose Umstellung der Essgewohnheiten zwar ein guter erster Schritt, braucht jedoch länger um Effekt zu zeigen. Wer trainiert, kann durch Muskelaufbautraining seinen Grundumsatz erhöhen, also was der Körper selbst in Ruhe an Kalorien in Energie umwandelt. Ausdauertraining verbraucht so gut wie immer mehr Kalorien als Krafttraining, ist jedoch gerade am Anfang einer Umstellung oft frustrierend, da der Trainingsfortschritt und die Gewichtsabnahme nicht so schnell und offensichtlich ist. Extrem effizientes Ausdauertraining ist das sogenannte HIIT (High-intensity interval training) zu Deutsch hochintensives Intervalltraining. Es gibt unterschiedliche Intensitäten und ist daher für Einsteiger wie für Profis geeignet, jedoch ist der Name Programm. Oder um es in die Worte meines Trainers zu fassen: „Wer nach HIIT nicht vollkommen erschöpft ist, macht es falsch!“
Wer vor allem schon viele Sachen zum Abnehmen probiert hat und sich trotzdem verloren fühlt, sollte unbedingt auch Hilfe in Form einer Diätberatung suchen, da es leider immer sein kann, dass man etwas übersieht, oder sogar einen Arzt konsultieren. Übergewicht kann ernsthafte gesundheitliche Probleme zu Grunde haben und sollte daher auch ärztlich abgeklärt werden. Dies trifft vor allem auf Personen zu, die bereits sehr lange an Übergewicht oder Fettleibigkeit leiden und mit Gewicht- oder Ausdauertraining durchstarten möchten. Hier sollte unbedingt eine Untersuchung vorangehen, um ein Verletzungsrisiko zu minimieren und gesundheitliche Schäden vorzubeugen.
Es ist nie zu spät anzufangen. Hilfe zu suchen kann Frustration und wirkungslose oder sogar schädliche Selbstexperimente maßgeblich reduzieren. Sei dies durch ärztliche, therapeutische oder diätologische Hilfestellung, wer einen Plan hat, wird sich leichter daran halten können und auf lange Sicht Geld sparen und erfolgreicher sein.
Fazit – Übergewicht
Unterschiedlichste Lebensumstände, Angewohnheiten, Krankheiten und Mängel können Übergewicht negativ beeinflussen und dessen Entstehung begünstigen. Gesunde Essgewohnheiten sollten immer an oberster Stelle stehen, lang bevor Training ein Thema ist. Wer Hilfe suchen möchte, sollte das tun, Profis sind letztendlich dafür da, uns bei Dingen zu helfen, die wir nicht selbst bewerkstelligen können. Denn am Ende des Tages ist die bittere Wahrheit leider: Egal wie es entstand, auf lange Sicht ist Übergewicht gesundheitlicher Raubbau am eigenen Körper und der erste Schritt zu Besserung muss von den Betroffenen kommen.