In der Bevölkerung wird Depression oft noch immer als Frauenkrankheit angesehen. Zwar wird Depression bei Frauen öfters diagnostiziert, jedoch hängt dies stark mit Geburt und Wechseljahren zusammen und nicht mit einer generellen Prävalenz für die Krankheit. Auch suchen betroffene Frauen öfters Hilfe als Männer, wodurch die Statistik hier verzerrt erscheint.
Männer bekommen zwar die Krankheit seltener diagnostiziert, jedoch verüben sie weitaus häufiger Selbstmord (70% der männlichen Suizide gehen auf eine Depression zurück) durch die Krankheit. Das liegt einerseits daran, dass Männer seltener Hilfe suchen, andererseits äußert sich eine Depression beim Mann häufig komplett anders. Das klassische Bild mit Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Hilflosigkeit gibt es beim Mann eher selten und wenn, dann eher bei fortgeschrittener Depression.
Besonders wichtig ist bei einer Depression, wie bei allen Erkrankungen, dass sie schnell und frühzeitig erkannt wird. Das kann nicht immer ganz einfach sein und freilich braucht es die Einschätzung eines Experten, um sich sicher sein zu können.
Dennoch möchte ich Ihnen die Männerdepression in diesem Artikel etwas näher bringen. Auch möchte ich Ihnen ein paar Symptome zeigen, die Ihnen als Betroffener und Angehöriger helfen können, sie rechtzeitig zu erkennen. Denn je früher die Krankheit diagnostiziert wird, desto besser kann man dem Betroffenen helfen.
Mögliche Ursachen der Depression
Eine einheitliche Ursache für Depressionen gibt es generell nicht. Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Lebensumstände, Umfeld, Beruf, Familie, finanzielle Situation… all diese Dinge können zu einer Depression beitragen. Manchmal gibt es auch keinen offensichtlichen Grund.
Unterscheiden lässt sich jedoch bei der Ursachenfindung mögliche Risikofaktoren und ob der Betroffene zu einer Hochrisikogruppe gehört. Diese Faktoren beeinflussen häufig, ob eine Depression potentiell entstehen kann oder nicht. Fällt derjenige, der vielleicht eine Depression hat, in eine (oder mehrere) dieser Kategorien, ist besondere Vorsicht geboten.
Physiologische Ursachen
Physiologische Ursachen sind immer ein Serotonin- und oft Dopaminmangel im Gehirn. Beide Hormone sind für das “Glücklichsein” unabdinglich. Auch B- und D-Vitamin Mangel ist häufig bei Depressiven anzutreffen, genauso wie diverse Mineralstoffmängel.
Den Hormon-, Vitamin- und Mineralstoffstatus des Betroffenen überprüfen zu lassen, ist sinnvoll und richtige Supplementation kann auch den Verlauf der Depression abschwächen und etwaige Medikamente besser wirken lassen, bzw. deren Nebenwirkungen abschwächen.
Generell ist die Depression eine komplexe Erkrankung, die immer professionelle Hilfe benötigt!
Risikofaktoren der Männerdepression
Wie bei jeder psychischen Erkrankung gibt es auch gewisse Umstände, die besonders die Entstehung der Krankheit begünstigen. Wenn jemand, bei dem man eine Depression vermutet, von diesen Risikofaktoren beeinflusst wird, kann es leichter sein, eine Männerdepression zu erkennen:
- Alkohol- und/oder Drogenkonsum
- Probleme im Beruf
- Probleme in der Beziehung
- Extreme Lebensumstand-Änderungen (Trennung, Scheidung, Tod eines nahen Angehörigen, etc.)
- Einsamkeit
- Physische Krankheiten
- Schwangerschaft der Partnerin
- Geburt des gemeinsamen Kindes
All diese Umstände sind generell schwer zu tragen. Bei circa 5% der Bevölkerung führen sie zu einer Depression.
Hochrisikogruppen
Unter einer Hochrisikogruppe versteht man Menschen, deren Umstände oder Umgebung sie besonders anfällig für eine gewisse Krankheit machen. Auch bei der Männerdepression gibt es Hochrisikogruppen und in diesem Umständen findet man auch häufig die Ursachen der Depression.
- Junge Männer
- Häufigste Erkrankung mit Angststörung gemeinsam bei 16-24 jährigen.
- 1 von 7 jungen Männern jährlich.
- Suizid ist zweithäufigste Todesursache.
- Symptome werden oft nicht erkannt, werden als “Phase” abgetan.
- Anfang der ersten Vaterschaft
- Nicht nur Mütter sind gefährdet, Väter genauso.
- Oft während der Schwangerschaft und im ersten Jahr nach der Geburt.
- Circa 10% der Männer betroffen.
- Zusätzliche Risiken: Vorherige Depression, bei schwieriger Geburt, finanzielle Belastung (“Familienerhalter”), vorhergehende Lebens- und Beziehungsprobleme, wenig emotionale Unterstützung, bei einem kranken Kind, bei (vorherigen) Problemen mit Alkohol oder Drogen, Erkenntnis, dass man sich das Vatersein anders vorgestellt hat.
- Diese Problemstellung beeinflusst auch das Kind! Holen Sie schnell Hilfe!
- Alte Männer
- Höheres Alter begünstigt generell oft Depressionen.
- Schmerzen, Erkrankungen und Nebenwirkungen von Medikamenten wirken begünstigend.
- Einsamkeit
- Verluste , sowohl persönlicher (Arbeit, Gehalt, Selbstwert, Beziehungen) als auch physischer (Mobilität, Flexibilität) Natur.
- Lange Krankenhausaufenthalte
- Erinnerungen verbunden mit Jahrestagen und eventuellen Verlusten von Angehörigen/Freunden.
- Massive Veränderung der Umstände. z.B. Umzug in ein Pflegeheim, Annahme einer 24h-Pflegehilfe.
- Stress im Beruf
- Arbeitsplatz ist unsicher.
- Die Funktion ist nicht klar definiert, es ändert sich ständig etwas.
- Extreme Anforderung, Überlastung, Druck, übermäßige, extensive Überstunden.
- Ungenügende Arbeitsressourcen.
- Schlechte Kommunikation: Alles hätte am besten gestern fertig sein sollen.
- Es wird einem verwehrt, sich einzubringen, Entscheidungen werden über den Kopf der Angestellten hinweg getroffen.
- Mobbing durch Chef und Mitarbeiter.
- Arbeitslosigkeit
- Finanzielle und emotionale Sorgen verstärken sich durch Arbeitsplatzverlust natürlich.
- Starke Geldverluste belasten extrem.
- Durch Geldmangel kann die Altersvorsorge unzureichend sein. Daraus können Zukunftsängste resultieren.
- Werden Arbeitsstellen gekürzt und Ihr Arbeitsplatz ist in Gefahr, so kann das begünstigend für eine Depression sein.
- Schwere und/oder chronische Krankheit
- Stress durch eine plötzliche Erkrankung (Krebsdiagnose, Herzinfarkt, Schlaganfall, etc).
- Veränderung der Lebensumstände in Verbindung mit der Krankheit.
- Bei chronischen Erkrankungen, die v.a. mit Schmerzen einhergeht, sind Depressionen häufig. Auch Burnout ist häufig.
- Professionelle Beratung ist wichtig, um zu unterscheiden, ob die Niedergeschlagenheit wegen der Krankheit da ist oder ob wirklich eine Depression vorhanden ist.
- Denn: Anfängliche, negative Gefühle sind normal, problematisch wird es jedoch, wenn sich kein emotionales Gleichgewicht einstellt.
- Drogen und Alkohol
- Kann Ursache, aber auch Folge der Depression sein.
- Bewusstseinsverändernde Substanzen verschlimmern Depression.
- Sie werden oft verwendet, um mit der Situation fertig zu werden, helfen aber nicht, sondern machen es schlimmer.
- Diese Substanzen sind auf jeden Fall zu meiden!
Allgemeine Symptome der Depression
Die Depression wird auch oft “die Erkrankung der -losigkeit” genannt. Gefühllosigkeit, Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und dergleichen gehören zu den Hauptsymptomen. Beachten Sie, dass diese Liste sich allgemein um die Depression dreht. Spezifische, männliche Merkmale der Depression werden im nächsten Punkt behandelt.
Streng nach Klassifizierung gibt es für die Depression drei Haupt- und sieben Nebensymptome, die beachtet werden müssen. Je nachdem, wie viele Symptome ausgeprägt sind, wird im Schweregrad der Depression unterschieden.
- Von einer leichten Depression wird gesprochen, wenn zwei Hauptsymptome und zwei Nebensymptome vorhanden sind.
- Eine mittelschwere Depression hat zwei Hauptsymptome und bis zu vier Nebensymptome.
- Bei einer schweren Depression zeigen sich drei Hauptsymptome und mindestens fünf Nebensymptome.
Diese Hauptsymptome gilt es zu erkennen:
- Gedrückte Stimmung: Der Betroffene kann nur noch negative und pessimistische Gefühle ausdrücken. Alles wird schwarz gesehen. Bei besonders schwerer Depression kommt es sogar zu einer Gefühllosigkeit, der Betroffene fühlt sich also leer und spürt überhaupt nichts mehr. Das kann sogar bis zu körperlichen Empfindungen reichen.
- Verlust von Freude und sämtlichen Interessen: Keine Gefühlshochs und -tiefs, der Betroffene ist nicht mehr aufzumuntern.
- Leichte Ermüdung, kein Antrieb: Je nach Schweregrad, ist dem Betroffenen jedwede Tätigkeit zu viel. Bei schweren Depressionen kann das soweit gehen, dass der Betroffene nicht einmal mehr einkaufen gehen kann oder Körperhygiene betreiben kann.
Diese Nebensymptome gilt es zu erkennen:
- Schlafprobleme: Diese werden oft durch den Serotoninmangel, der bei Depressionen so gut wie immer vorkommt, verursacht. Auch Dopaminmangel kann v.a. das Einschlafen stören.
- Hoffnungslosigkeit: Große Zukunftssorgen, Sorgen über den eigenen Körper, Gefühl der Hilflosigkeit.
- Kaum Appetit.
- Erniedrigtes Selbstwertgefühl und -vertrauen. Der Betroffene fühlt sich wertlos.
- Schlechte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit.
- Minderwertigkeitsgefühle oder Schuldgefühle.
- Selbstmordgedanken oder sogar -handlungen. Diese kommen häufig dadurch zustande, dass der Betroffene den Sinn im Leben nicht mehr sieht (“Sinnlosigkeit”).
Neben diesen häufig prominenten Symptomen gibt es jedoch noch eine ganze Reihe an anderen Symptomen, die man ebenfalls erkennen kann:
- Physisch nicht erklärbare Schmerzen, oft mit Druckgefühl in der Brust.
- Verlangsamtes Denken, verlorenes Zeitgefühl.
- Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben.
- Ständiges Nachgrübeln.
- Ängstlichkeit, Reizbarkeit (v.a. Überempfindlichkeit bei Geräuschen).
- Emotionslosigkeit – der Betroffene kann nicht emotional auf die Umgebung reagieren.
- Verlust an früheren Interessen.
- Der Tag-Nacht-Rhythmus ist gestört. Oft wacht der Betroffene sehr früh am Morgen auf und kann nicht mehr schlafen.
- Oft sind die Symptome vormittags besonders stark ausgeprägt. Allerdings geht es auch umgekehrt – bei manchen Fällen geht es dem Betroffenen am Abend besonders schlecht. Letzteres geht oft mit einer Einschlafstörung einher und ist oft Symptom eines Dopaminmangels.
- Gewichtszunahmen oder -abnahme.
- Libidoverlust: Kaum oder kein sexuelles Interesse mehr.
- Bewegungsmangel kann mit innerer Unruhe einhergehen.
Besondere Merkmale der Männerdepression
Bei Männern präsentiert sich die Depression jedoch auch oft ganz anders, weswegen sie häufig nicht oder falsch diagnostiziert wird.
Bei Frauen sind Symptome wie Kraftlosigkeit und Hilflosigkeit häufig, weswegen die Depression oft leicht erkannt wird. Männer zeigen diese Symptome nur gering und ausgeprägt erst im schweren Stadium der Depression, oft mit Burnout verbunden.
Typisch männliche Zeichen einer Depression sind:
- Starke Aggressivität, Wutanfälle (plötzlich und aus dem Nichts) und leichte Reizbarkeit.
- Feindseligkeit, häufige Vorwürfe gegenüber anderen.
- Suchtverhalten: Oft wird viel Alkohol konsumiert, um zu kompensieren.
- Körperliche Symptome: Atemnot, Schwindel, Herzprobleme.
- Gefühl des Kontrollverlustes und der Angst.
- Kaum Stresstoleranz, generelle Unzufriedenheit, bis hin zu antisozialem Verhalten.
- Oft hohe Risikobereitschaft, greift Hand in Hand mit häufigen, aggressiven Suizidversuchen.
Männerdepression: So gehen Angehörige richtig mit dem Depressiven um
Bevor ich Ihnen darüber mehr erzähle, möchte ich Sie gerne auf eines meiner Videos in meinem Youtube-Kanal hinweisen, welches sich damit beschäftigt, wie Sie als Angehöriger mit sich selbst umgehen sollten, wenn ein Ihnen nahestehender Mensch eine Depression hat. Beachten Sie, dass es wichtig ist, nicht nur auf den Betroffenen Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf sich selbst!
Halten Sie sich immer vor Augen, dass die Depression eine ernste Krankheit ist. Der Betroffene “stellt sich nicht an” oder ist “hypersensibel”, sondern hat eine schwere Störung, die unbedingt professionelle Behandlung braucht. Nicht nur geistige, sondern auch körperliche Schmerzen sind nicht “eingebildet”, sondern sehr real und bedrohlich für den Betroffenen.
Auch hat eine Depression nichts damit zu tun, dass der Betroffene sich nicht “zusammenreißen” kann. Halten Sie daher von derartigen Ratschlägen (“Dir geht es doch gut und hast keinen Grund, so drauf zu sein!”) Abstand, sie bringen nichts, sondern rufen im schlimmsten Fall Schuldgefühle hervor. So sollten Sie mit einem Betroffenen nicht umgehen.
Auch Aufmunterungsversuche werden größtenteils nichts bringen. Reagieren Sie hier nicht mit Zorn und Ungeduld, der Betroffene kann nichts dafür. Wichtig ist jedoch, die Initiative des Betroffenen zu unterstützen! Wenn es ihm besser geht und er von sich aus etwas unternehmen möchte, dann unterstützen Sie dieses Verhalten!
Was die ganze Situation meistens schwierig macht, ist die, dass der Betroffene die Erkrankung oft nicht einsieht und einen Besuch beim Arzt oder Psychologen für sinnfrei hält. Gleichzeitig ist es jedoch sehr wichtig, dass er eine Therapie aus seinem Willen heraus macht. Psychotherapie funktioniert nur dann, wenn der Betroffene diese auch möchte. Besonders bei Männern ist es schwierig, eine psychotherapeutische Behandlung vorzuschlagen.
Wichtig ist, dass Sie mit dem Betroffenen Mitgefühl und Geduld haben. Er wird seine Erkrankung einsehen, es kann nur einige Zeit dauern, bis dem so ist. Holen Sie Informationen über die Krankheit ein, lassen Sie sich von Experten beraten. Vor allem dann, wenn Sie sich sehr mit der Situation überfordert fühlen, kann auch ein Besuch einer Angehörigen-Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein. Natürlich können Ihnen auch Freunde und Verwandte weiterhelfen. Lehnen Sie Hilfe nicht ab!
Und: Nehmen Sie Suizid-Drohungen ernst! Vor allem Männer haben eine hohe Selbstmordrate bei Depression!
Zusammengefasst:
- Beachten Sie, ob Sie Symptome erkennen.
- Dem Betroffenen aufmerksam zuzuhören ist wichtig.
- Regelmäßige, ruhige Gespräche mit dem Betroffenen über die Situation sind wichtig.
- Helfen Sie dem Betroffenen, zu handeln. Wenn nötig, tun Sie es gemeinsam!
Behandlung und Hilfe
Wenn Sie glauben, dass Sie selbst eine Depression haben, scheuen Sie sich nicht, Hilfe und eine Behandlung zu suchen! Reden Sie mit Ihrem Arzt/ Ihrer Ärztin darüber, genau wie bei einer körperlichen Erkrankung! Halten Sie sich vor Augen, dass die Krankheit nicht nur Ihnen, sondern auch Ihrem Umfeld schadet.
Folgende Seiten sind Hilfestellen für depressive Personen (und deren Angehörigen) in Österreich:
- https://www.buendnis-depression.at/Regionale-Buendnisse/Wien/Hilfsangebote-in-Wien-Bundesland
- https://www.gesundheit.gv.at/service/beratungsstellen/psychische-krankheiten
- http://www.depression.at/weitere-anlaufstellen/
Warten Sie nicht, bis Ihr Zustand wirklich schlecht wird. Denn je länger eine Depression besteht, desto schwieriger wird es, eine effektive Behandlung zu finden.
Wie genau die Therapie aussieht, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ob Medikamente notwendig sind, welche Therapieart verwendet wird und welche Nahrungsergänzungsmittel für Sie passend sind, wird alles im individuellen Gespräch ermittelt.
Selbstverständlich bin ich gerne für Sie da, wenn Sie Hilfe brauchen!
Fazit
Sowohl Betroffene als auch Angehörige müssen Depressionen ernst nehmen. Die Depression ist keine reine “Frauenkrankheit”, sondern kann jeden treffen. Umstände und Umgebung richtig zu beurteilen kann sehr hilfreich dabei sein, eine Depression rechtzeitig zu erkennen.
Denn: Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen!