Stecken Sie gerade in einer Krise? Oder erinnern Sie sich an eine Lebensphase, die kritisch für Sie war? Wahrscheinlich herrschte in diesen Zeiten ein emotionaler Ausnahmezustand in Ihrem Leben.
Dabei sind Lebenskrisen normale Ereignisse und kommen in (fast) jedem Lebenslauf immer wieder einmal vor. Wegen der Schwere ihrer Belastung, der existentiellen Bedeutung der Krise und der erforderlichen Anpassungsleistung können Betroffene häufig aber nicht so leicht damit fertigwerden. Sind Bewältigungsfähigkeiten zudem nur wenig ausgebildet oder besteht keine soziale Anteilnahme und Unterstützung, können Lebenskrisen sogar zu psychischen Krankheiten wie Angststörungen oder Depressionen führen.
Damit dies nicht passiert, möchte ich im folgenden Artikel näher auf das Thema eines guten Umgangs mit Lebenskrisen eingehen.
Dafür gehe ich zunächst der Frage nach, was Lebenskrisen eigentlich sind, welche Symptome darauf hinweisen, welche möglichen Auslöser es gibt und wie eine Krise üblicherweise abläuft. Danach werfe ich einen Blick auf die positiven Aspekte einer Krise.
Zum Abschluss bekommen Sie Tipps an die Hand, wie Sie mit einer Krise gut umgehen können – sei es als Betroffener oder als Angehöriger bzw. Außenstehender, der jemanden in der Krise kennt und unterstützen möchte.
Sind Sie neugierig geworden? Dann lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr darüber!
Was sind Lebenskrisen und wie zeigen sie sich?
Lebenskrisen sind schwierige Situationen oder Lebenslagen, die so existentiell und grundlegend sind, dass sie schwierig zu bewältigen sind. Sie sind eine emotionale Ausnahmesituation, in denen Betroffene unter hohem emotionalem Druck stehen, der sich sowohl auf ihre Wahrnehmung als auch ihre Stimmung und ihr Verhalten niederschlagen kann.
Lebenskrisen stellen zudem Wendepunkte im Leben dar, an denen die Betroffenen ihr Leben neu ausrichten und sich umorientieren. Sie sind damit zwar ein „normales“ (i.S. eines immer wieder vorkommendes) Ereignis im Leben, erfordern aber hohe Anpassungsleistungen der Betroffenen. Die Fähigkeit zur Bewältigung muss gegeben sein. Denn: Überschreiten die Anforderungen der Krise diese Fähigkeiten, kann es nicht nur zu einer Überlastung, sondern auch zu einer existentiellen Verzweiflung und in der Folge zu psychischen Störungen wie Ängsten und Depressionen kommen.
Symptome für eine Lebenskrise zeigen sich auf der körperlichen, der emotionalen und der Verhaltensebene der Betroffenen. Diese können z.B. sein:
- Körperlich: Erschöpfung, Müdigkeit, Übelkeit, Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwitzen, Schlafstörungen, erhöhte Infektanfälligkeit, Konzentrationsschwierigkeiten.
- emotional: Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Pessimismus, Panikattacken, Angst und Unsicherheit (vor Versagen, der Zukunft…), innere Unruhe und Nervosität, erhöhte Wachsamkeit, Niedergeschlagenheit, Wut, Schuldgefühle, plötzliche Gefühlsausbrüche,
- Verhalten: Rückzug von anderen Menschen, Schweigen, plötzliches Weinen, Appetitverlust oder -zunahme, Rastlosigkeit, Gereiztheit, unangebrachte Reaktionen, gesteigerter Suchtmittelgebrauch (Rauchen, Alkohol, Medikamente, Drogen…)
Wie zu sehen ist, gleichen die genannten Symptome denen einer Depression. Der zeitliche Aspekt der Dauer und die subjektive Einschätzung über die Schwere der Symptomatik und den wahrgenommenen Leidensdruck spielt bei der Abgrenzung eine Rolle. Bei anhaltender Präsenz der Symptome über Wochen oder sogar Monate ist meist eine Depression vorhanden, die möglicherweise durch die Krise hervorgerufen. Eine Depression ist im Gegensatz zu einer Krise unbedingt behandlungsbedürftig.
Bei Unsicherheiten in der Differenzierung ist deshalb zur genauen Abklärung in jedem Fall eine fachliche Einschätzung eines Psychiaters oder Psychologen zu empfehlen. Sollte dies nötig sein, können fachliche Anlaufstellen Betroffene zudem schneller an Psychotherapeuten vermitteln, die bei der Aufarbeitung und Bewältigung von psychischen Belastungen professionell unterstützen können.
Mögliche Auslöser für Krisen
Häufig sind äußerliche Auslöser in Form von kritischen, teilweise auch traumatischen Lebensereignissen oder Schicksalsschlägen der Grund für das Auftreten von Lebenskrisen. Sie treten meist plötzlich auf und „überfahren“ Betroffene, sodass diese erst einmal in Ratlosigkeit, Schock und Hilflosigkeit verfallen.
Mögliche kritische Lebensereignisse sind z.B.:
- eine schwere körperliche Erkrankung,
- eine Trennung,
- der Arbeitsplatzverlust oder (unerwünschte) Versetzung
- der Tod eines nahen Angehörigen,
- die Wohnungskündigung,
- ein Umzug
Es gibt jedoch auch Lebenskrisen, die dadurch hervorgerufen werden, dass ein Ziel, auf das mühevoll und lange hingearbeitet wurde, in scheinbar unerreichbare Ferne rückt oder einfach nicht eintreten will. Dies ist z.B. der Fall, wenn Menschen lange auf eine Beförderung gewartet haben und dann erfahren, dass sie für diese Stelle nicht eingesetzt werden. Oder wenn ein starker Kinderwunsch besteht, der nicht erfüllbar ist.
Eine dritte Kategorie der Auslöser sind schwierige, anstehende Entwicklungsaufgaben, die die meisten Menschen derselben Altersstufe durchlaufen, z.B. Berufswahl und Familiengründung. Diese Kategorie beinhaltet eigentlich positive Ereignisse, welche meist dann zu Krisen führen, wenn durch die gravierenden Veränderungen eine Art Identitätskrise ausgelöst wird.
Betroffene fragen sich z.B., ob diese Modelle überhaupt zu ihnen passen, ob sie diese wirklich für ihr Leben möchten und ob sie den eingeschlagenen Weg so bewältigen können, wie sie es sich vorgestellt haben. Oder sie merken, dass sie ihre Ziele nicht erreichen können (zumindest nicht innerhalb des vorgestellten Zeitrahmens) und sie sich umorientieren müssen.
Phasen der Krise
Unabhängig von den Auslösern verlaufen Krisen meist in vier aufeinanderfolgenden, sich ablösenden Phasen ab. Diese sind:
- Verleugnung: Die erste Reaktion auf eine Krise sind meistens Gefühle der Überwältigung und des Schocks. Das Geschehene wird verdrängt oder verleugnet und erscheint noch gar nicht real.
- Reaktion: Nach der erfolgten Realisierung können starke Gefühle von Hilflosigkeit, Trauer und Wut auftreten – ein wahres Gefühlschaos. In dieser Phase ziehen sich Betroffene meist aus ihrer Umgebung und ihren Beziehungen zurück.
- Verarbeitung: Nach und nach werden die Veränderungen akzeptiert und der Betroffene ergreift Maßnahmen, um sich darauf einzustellen. Unter Umständen werden jetzt auch Hilfsangebote von der Familie oder Freunden angenommen. In Gesprächen öffnen sie sich eher und erfahren durch den Austausch Erleichterung.
- Neuorientierung: Die Lebenskrise wird bewältigt und es finden sich neue Formen der Lebensführung. Der Betroffene richtet sein Leben neu aus und kann (im Idealfall) das Positive im Vergangenen sehen und optimistisch in die Zukunft blicken.
Die Phasen der Krise sind nach kritischen Lebensereignissen besonders stark beobachtbar. Jedoch sind sie auch in diesem Fall nicht klar voneinander zu trennen, da sie ineinander übergehen können. In vielen Punkten ähneln sie den Trauerphasen (nach Verena Kast).
Wie lange die Bewältigung der Krise und das Durchlaufen der verschiedenen Phasen dauert, ist sehr individuell und abhängig von verschiedenen Faktoren, wie die Art des Auslösers, der (psychischen und körperlichen) Verfassung, der Persönlichkeit und der sozialen Unterstützung.
Positive Effekte von Krisen
Krisen durchbrechen unseren Alltag und unser Leben, wie es bisher gelaufen ist. Durch die ansonsten ablaufenden Gewohnheiten und immer gleichen alltäglichen Routinen stellt sich normalerweise ein Gefühl der Sicherheit ein, was dann durch die Krise plötzlich erschüttert wird. Das Gefühl der Unsicherheit, Hilflosigkeit und Ohnmacht und den wahrgenommenen Verlust an Kontrolle schätzt niemand besonders. Durch den Fokus auf diese negativen Aspekte verlieren wir jedoch das Positive aus den Augen.
Die Krise ist nämlich gleichzeitig auch eine Art Probephase für uns und unsere Beziehungen. Wir können dabei erkennen:
- wer in Krisenzeiten für uns da ist,
- welche Werte und Inhalte in unserem Leben wirklich Priorität haben,
- dass wir viel mehr schaffen und bewältigen können als wir zunächst von uns selbst angenommen haben
- dass wir auch für die kleine Dinge dankbar sein können
- dass wir uns sonst häufig zu schnell Sorgen und Gedanken machen und viele Kleinigkeiten zu schwernehmen.
Wenn wir achtsam sind auf die kleinen positiven Dinge, die auch in der Krise vorhanden sind, und unseren Blick für die positiven Aspekte der Krise schärfen, können wir einen Perspektivenwechsel vollziehen und erkennen:
- Krisen sind Teil eines jeden Lebens: Krisen fühlen sich wie ein Ausnahmezustand an, sie kommen aber in fast jedem Leben immer wieder vor. Durch diese Erkenntnis kann es, wenn es gerade schwerfällt, vielleicht gelingen, neuen Mut zu fassen und die Schwierigkeiten anzugehen, statt zu resignieren. Denn: Sie haben es wahrscheinlich schon einmal geschafft!
- Krisen sind Chancen: Sie sind nicht nur schwierig, sondern, wenn sie als Herausforderung verstanden werden, auch ein Anlass zu persönlichem Wachstum und Reif-Werden und dafür, eingefahrene Abläufe und Gewohnheiten zu ändern und einen neuen Lebenskurs zu finden. Wenn Sie die Krise bezwingen, gehen Sie garantiert mit neuem Selbstvertrauen und Optimismus daraus hervor!
Tipps für den Umgang mit Krisen
In diesem Kapitel finden Sie effektive Tipps für den Umgang mit Krisen – wenn Sie selbst davon betroffen sind oder wenn Sie ein Außenstehender bzw. Angehöriger von einer betroffenen Person sind, und diese unterstützen möchten.
Vier Tipps für Betroffene
Für Betroffene bieten sich folgende Tipps und Strategien an, um eine Krise gut zu bewältigen:
1. Positives erkennen und betonen
In der Phase der Krise kann es helfen, (kleine) Dinge, für die man dankbar ist und die schön sind, achtsam wahrzunehmen und aufzuschreiben, um sie nicht aus dem Blick zu verlieren. Durch die Verschiebung der Aufmerksamkeit auf das Gute erscheinen Schwierigkeiten nicht mehr so groß und übermächtig.
2. Auf die Sinnsuche gehen
Gerade in einer Krise kommen häufig Gedanken hoch, die den Sinn der aktuellen Lebenslage oder des Lebens an sich hinterfragen. Versuchen Sie, diese umzulenken und fragen Sie sich stattdessen: „Wie könnte ich daran wachsen? Was könnte ich daraus lernen? Wie kann mir diese Erfahrung (später) weiterhelfen?“ Diese Fragen ermöglichen es Ihnen, die Offenheit in Ihren Gedanken zu bewahren, auch das Gute wahrzunehmen und die Krise nicht nur als Hindernis und Problem zu sehen, sondern auch als Herausforderung und als etwas, das Sie bewältigen können.
3. Soziale Unterstützung annehmen und sich austauschen
In vielen Fällen merken nahestehende Menschen, dass etwas nicht stimmt, und fragen nach oder bieten ein Gespräch oder Hilfe an. Scheuen Sie sich nicht, diese anzunehmen, wenn Sie sich bereit dazu fühlen. Wenn Sie keine Hilfsangebote bekommen, setzen Sie gegebenenfalls selbst den ersten Schritt und sprechen Sie über Ihre Not.
4. Kleine Ziele stecken und umsetzen
Setzen Sie sich in Krisenzeiten kleine, machbare Ziele für Ihren Tag. Diese können z.B. sein:
- eine feste Tagesstruktur einhalten (zu einer bestimmten Uhrzeit aufstehen und schlafen gehen),
- auf die eigene Körperhygiene achten (auch wenn Sie nicht unter Leute gehen),
- sich bewegen und zumindest einmal täglich kurz an die frische Luft gehen,
- ausreichend und ausgewogen essen,
- nicht mehr Alkohol oder Nikotin als gewöhnlich konsumieren…
Halten Sie jeweils am Ende des Tages Rückschau und nehmen Sie diese kleinen Erfolge bewusst wahr. Bleiben Sie dabei, auch wenn es Ihnen schwerfällt! Denn wenn Sie im Äußeren auf sich achten, wird sich das auch positiv auf Ihre Psyche auswirken.
3 wichtige Tipps für Angehörige
Angehörige und Außenstehende können Menschen in Krisensituationen am besten unterstützen, wenn sie folgende Tipps beachten:
1. Verbringen Sie Zeit mit der betroffenen Person
Was Personen in Krisenzeiten am meisten benötigen, sind Menschen, die einfach da sind und ihnen durch ihre Anwesenheit Ruhe und Sicherheit vermitteln. Auf diese Weise signalisieren Sie bereits Ihre Unterstützung. Dies kann bei größeren Entfernungen gegebenenfalls auch per Telefon erfolgen. Beachten Sie aber, dass Sie der Person gleichzeitig genug Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten lassen und ihre Grenzen wahren.
2. Seien Sie einfühlsam und hören Sie zu
Vermeiden Sie es, das Verhalten der Person zu bewerten. Dazu gehört auch, dass Sie die Wut und Aggressionen der Person nicht persönlich nehmen und in solchen Situationen ruhig und sachlich reagieren.
3. Bieten Sie aktiv Hilfe und ein offenes Ohr an, wenn Sie nicht selbst darum gebeten werden
Manche Menschen kommunizieren aus Höflichkeit oder Rücksichtnahme auch in engen Beziehungen ihre Sorgen und Probleme kaum. Ergreifen Sie deshalb die Initiative und signalisieren Sie, dass die Person in Ihnen eine Ansprechperson finden kann.
Fazit
Lebenskrisen betreffen die meisten Menschen früher oder später. Obwohl es sich dabei meistens um einen emotionalen Ausnahmezustand handelt, müssen sie nicht unbedingt negativ für uns sein. Im Gegenteil: Wenn wir gut damit umgehen, können wir sie bewältigen und wachsen vielleicht sogar an dieser Erfahrung.
In manchen Fällen kann dadurch eine Umorientierung im Leben stattfinden und Menschen richten ihr Leben nach neuen Werten und Prioritäten aus. Und auf diese Weise ist es Ihnen vielleicht auch endlich möglich, alte Routinen zu durchbrechen.
Ich hoffe, in diesem Artikel konnten Sie wichtige Hinweise dazu finden, wie Sie mit Krisen erfolgreich umgehen und daran wachsen können.
Wenn Sie gerade selbst in einer Krise stecken, wünsche ich Ihnen für die Bewältigung viel Erfolg!
Alles Gute!