Toxische Beziehungen oder eine toxische Atmosphäre, das sind Wendungen, die man immer wieder hört und die immer häufiger benutzt werden. Dabei meint toxisch in diesem Zusammenhang so etwas wie „giftig“ oder „ungesund“.
Doch was genau ist damit eigentlich gemeint und welche Anzeichen gibt es für eine toxische Beziehung? Experten gehen davon aus, dass toxische Beziehungen wechselseitig sind und dass sie durch eine Paartherapie wieder funktional werden können. Im schlimmsten Fall braucht es jedoch Exitstrategien, um eine toxische Beziehung hinter sich zu lassen und sich davon zu lösen.
Auf diese Fragen und Aspekte von toxischen Beziehungen möchte ich im folgenden Artikel eingehen. Wenn Sie dieses Thema interessiert oder Sie auch gerade in einer Beziehung stecken, die Ihnen nicht guttut, lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr.
Was ist eine toxische Beziehung?
Das Wort „toxisch“ leitet sich aus dem griechischen Terminus toxicon pharmakon ab, eine Bezeichnung für eine giftige Pfeilspitze, die bei der Jagd verwendet wurde. Toxicon bezieht sich dabei aber eigentlich auf das Wort „Pfeil“ und nicht auf das Gift.
Die metaphorische Verwendung des Wortes „toxisch“ ist noch relativ jung. Sie kam wahrscheinlich in den späten 90er Jahren auf. 2018 wurde das Wort im Zusammenhang mit Umweltgiften, Beziehungen, Maskulinität und Kultur häufig verwendet und deshalb vom Oxford Dictionary zum Wort des Jahres gewählt.
Eine toxische Beziehung oder – wie man vielleicht etwas altmodisch sagen würde – eine ungesunde Beziehung erkennt man daran, dass zumindest einer der beiden Beziehungspartner die eigenen Bedürfnisse höher stellt als die des anderen. Auf diese Weise gerät die Balance zwischen zwei Menschen aus dem Gleichgewicht, wird dysfunktional und destruktiv.
Dies kann sowohl partnerschaftliche Beziehungen betreffen als auch die Beziehung zwischen Eltern und Kind, Freunden oder auch nur entfernte Bekannte. Je enger die Beziehungen jedoch sind, desto belastender wird das Ganze für die Betroffenen. Toxische Partnerbeziehungen sind deshalb besonders schwer und schmerzlich.
Anzeichen und Merkmale für eine toxische Beziehung
Was genau zeichnet eine toxische Beziehung aus? Dieser Frage möchte ich im folgenden Kapitel nachgehen und einige Kennzeichen aufzeigen.
Toxische Beziehungen können von seelischer Gewalt, wie Manipulation, Demütigung und Formen von Missbrauch bestimmt sein. Dazu zählen z.B.:
- Übermäßige oder zwanghafte Kontrolle und Eifersucht des Partners, z.B. ständig wissen zu wollen, wo sich die andere Person aufhält, was sie macht etc.
- Einschränkung oder Verbot von Kontakten zu anderen, v.a. zu Personen des anderen Geschlechtes
- Verbale Demütigungen oder Beleidigungen, auch vor anderen
- Drohungen und Einschüchterung, eventuell auch gegenüber der Familie oder Freunden des Partners
- Gegenseitige Schuldzuweisungen und Kritikunfähigkeit
- Co-Abhängigkeit: Sich mitverantwortlich fühlen für die Stimmungen des anderen
- Extreme Wutausbrüche: Beschädigung von Eigentum, eventuell körperliche Gewalt
- Kontrolle über Finanzen: finanzielle Beschränkung und Abhängig machen des Partners
- Gaslighting: falsche Versprechungen und das Vorspielen von falschen Tatsachen, wodurch der Partner seiner eigenen Urteilskraft mehr und mehr misstraut
Die Formen der psychischen Gewalt sind aber im Gegensatz zu körperlicher Gewalt subtil und teilweise schwer zu erkennen. Zudem haben Studien gezeigt, dass Menschen Anzeichen wie übertriebene Kontrolle oder Eifersucht des Partners teilweise als Liebesbeweis deuten, statt als ungesundes, übergriffiges Verhalten.
Studien zufolge waren besonders Menschen betroffen, die bereits in der Kindheit Formen von körperlicher oder psychischer Gewalt erfahren haben und solche, die ein niedrigeres Einkommen hatten. In der Gruppe der Männer waren jüngere zudem häufiger davon betroffen.
Die „Täter“ waren häufig getrieben durch Stress, zeigten vermehrt einen vermeidenden Bindungsstil und narzisstische Persönlichkeitszüge.
Toxische Beziehungen sind wechselseitig
Toxische Beziehungen als Begriff sollte jedoch laut Experten nicht zu häufig und inflationär gebraucht werden, da es sich nicht um einen wissenschaftlichen Begriff handelt. Die Bezeichnung wird zudem oft verwendet, um anzudeuten, dass der Partner beziehungsunfähig und narzisstisch ist, und es somit niemand bei ihm aushalten würde. Dies mag in bestimmten Fällen zutreffen, nimmt jedoch die eigene Verantwortung aus dem Spiel und verleitet dazu, die Beziehung allzu schnell als hoffnungslos abzutun und nicht mehr daran zu arbeiten.
Stattdessen weisen Experten darauf hin, dass in toxischen Beziehungen meist eine wechselseitige Dynamik herrscht, also nicht nur ein Partner giftig ist, sondern beide Partner in einem wechselseitigen Zusammenspiel die ungesunde Beziehungsdynamik befeuern.
Dies liegt unter anderem daran, dass sich Menschen ihren Partner oft nach dem Beziehungsstil auswählen. Häufig kommt es so z.B. zu Partnerbeziehungen zwischen einer Person mit vermeidendem Bindungsstil und einer Person mit ängstlich (umgangssprachlich „klammernden“) Bindungsstil. In der Folge braucht der eine viel Nähe, um sich angenommen und geliebt zu fühlen, dem anderen ist es dann aber schon zu viel.
In einer solchen Beziehungskonstellation kommt es deshalb immer wieder zu Phasen von Streit, Verletzungen und Verzweiflung, gefolgt von Phasen der Annäherung und der emotionalen Höhenflüge – eine emotionale Achterbahnfahrt.
Es gibt Hoffnung: Paartherapie
Wenn Sie nicht gerade mit einer Person mit antisozialer Persönlichkeitsstörung zusammenleben, gibt es Hoffnung. (Fast) niemand ist generell beziehungsunfähig. Viele Probleme können in einer Paartherapie aufgearbeitet werden.
Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Emotionsregulationsfähigkeit der beiden Partner gelegt, das heißt dass beide Partner lernen, ihre Gefühle besser zu deuten, zu benennen und Strategien gezeigt bekommen, die eigenen Emotionen unabhängig von den Reaktionen des Partners zu kontrollieren und zu regulieren. Hilfreich sind dabei unter anderem Achtsamkeitsübungen, die ein In-Sich-Hineinfühlen lernen.
Auch wenn der Partner (zunächst) nicht bereit ist, zur Therapie mitzugehen, kann eine therapeutische Aufarbeitung Ihrer Beziehungsthemen Sie (beide) weiterbringen. Denn wenn Sie für sich selbst Verantwortung übernehmen, Selbstfürsorge betreiben und auf sich achten, kann eine Beziehung langfristig auch dadurch wieder ins Gleichgewicht kommen. Indem Sie überhöhte Erwartungen an Ihren Partner ablegen, von ihm unabhängiger werden und sich damit auch in Ihrer Beziehung wieder freier fühlen, kann ein „Neustart“ gelingen.
Jedoch heißt ein Erfolg in der Paartherapie nicht immer, dass das Paar unbedingt zusammenbleiben muss. Eine konstruktive Trennung kann genauso hilfreich sein und die Partner weiterbringen – auch wenn sie danach vielleicht getrennte Wege gehen.
Wenn alles nichts hilft, müssen Sie sich selbst die Frage stellen: Kann ich langfristig so weiterleben und diesen Zustand akzeptieren oder muss ich die Beziehung beenden?
Exitstrategien: Raus aus der toxischen Beziehung
Wenn Sie zu dem Entschluss gekommen sind, dass eine Trennung unausweichlich ist, Sie sich aber fragen, wie Sie das genau anstellen sollen, ist das folgende Kapitel wahrscheinlich interessant für Sie.
Sie finden hier ein paar Tipps, wie Sie sich gut von toxischen Beziehungen lösen und befreien können.
- Nehmen Sie sich zunächst eine Beziehungsauszeit und beobachten Sie sich selbst, wie es Ihnen geht, was es mit Ihnen macht, wie Sie ohne den Partner zurechtkommen.
- Wenn Sie sich einsam fühlen, nutzen Sie dies zur Reflektion und als Chance für inneres Wachstum und sich Gedanken darüber zu machen, was Sie selbst als Person ausmacht und wer Sie ohne Partner sind.
- Treffen Sie eine Entscheidung und stehen Sie dann dazu. Eine On-Off-Beziehung und immer wieder neue Beziehungsversuche können zermürbend und kräftezehrend sein und führen in den meisten Fällen dazu, dass das Vertrauen in die Beziehung und den Partner immer brüchiger wird.
- Die Wahrheit, dass eine Trennung wahrscheinlich der beste Weg ist, kann schmerzhaft sein. Geben Sie sich Zeit und seien Sie geduldig mit sich.
- Holen Sie sich Unterstützung bei Ihnen nahestehenden Personen. Fragen Sie sie um Rat und um deren Außenperspektive. Auch wenn dies manchmal schmerzhaft ist, es kann zu wichtigen Erkenntnissen führen.
- Bleiben Sie bei sich und überlegen Sie nicht (nur), was Sie dem Partner antun, wie er mit einer Trennung umgehen wird etc., sondern hauptsächlich, wie Ihr eigener Weg weitergehen kann.
- Setzen Sie konkrete Schritte, um Ihre Entscheidung durchzusetzen. Suchen Sie sich z.B. wieder eine eigene Wohnung. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Drücken Sie sich aber nicht davor.
- Vertrauen Sie sich selbst und Ihrem eigenen Bauchgefühl. Hören Sie in sich hinein, auch (oder gerade) wenn Ihre Urteilsfähigkeit in der Vergangenheit immer wieder in Frage gestellt wurde.
- Schauen Sie in die Zukunft, statt sich selbst immer wieder Vorwürfe zu machen und die Vergangenheit durchzuspielen, was hätte anders laufen können etc.
- Wenn Sie sich unsicher sind, lassen Sie sich gegebenenfalls professionell beraten. Sie müssen eine so wichtige Entscheidung nicht allein treffen und durchstehen. Sich Hilfe zu suchen, kann ein wichtiger Schritt für eine gute Aufarbeitung und neue positive Zukunftsaussichten sein.
Fazit
Toxische Beziehungen können sehr belastend sein. Vielleicht konnte Ihnen der Artikel helfen, die Anzeichen wahrzunehmen und Ihre Beziehung besser zu verstehen.
Nicht immer ist aber nur ein Partner für das Gift in der Partnerschaft verantwortlich, sondern in vielen Fällen handelt es sich um eine wechselseitige Dynamik.
Es gibt jedoch Hoffnung. Eine Paartherapie kann oft weiterhelfen und neue Wege zeigen, sodass die Beziehung wieder gesund und funktional werden kann.
Entscheiden Sie sich dazu, sich zu trennen, hoffe ich, dass der Artikel und das Kapitel der Exitstrategien weiterhelfen konnte, um sich gut aus der toxischen Beziehung zu lösen.
Wie auch immer Sie sich entscheiden und welchen Weg Sie wählen, vertrauen Sie auf sich. Sie schaffen das – vielleicht auch gemeinsam!
Alles Gute dafür!