„Sage mir mit wem du (um)gehst, und ich sage dir, wer du bist.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Unsere Beziehungen und wie wir sie führen, sagen viel über uns als Mensch aus. Wer allerdings glaubt, dass wir Beziehungen, vor allem Paarbeziehungen, frei wählen, liegt meist falsch. Mit anderen Worten sind unsere Beziehungen kein Zufall, sondern eine mehr oder weniger bewusste Wahl, die oft in unserer Vergangenheit wurzelt und auf Erfahrungen basiert.
Jeder Mensch hat eine individuelle psychische Struktur, die sich unter anderem aus Erfahrungen, Wertvorstellungen, Glaubenssätzen, etc. zusammensetzt. Aufgrund dieser Struktur wählen wir unsere Partner.
Die Beziehung mit unserem Partner hat viel Einfluss auf unsere Selbstwahrnehmung und unser eigenes Erleben. Sie kann uns daher helfen, selbstbewusster zu werden und mit uns selbst ins Reine zu kommen. Allerdings müssen wir das zulassen.
Wenn wir es erlauben, dass die eigene Beziehung zum Spiegel für uns selbst wird, können wir uns weiterentwickeln und Selbsterkenntnis erlangen.
Beziehung als Spiegel: Weiterentwicklung
Als ersten Schritt zur Weiterentwicklung müssen wir die Kritik und die Vorwürfe, die wir unserem Partner machen, hinterfragen. Eine mögliche Frage hierzu ist beispielsweise: „Warum erlebe ich gerade diese Situation als ärgerlich/verletzend?“
Diese Fragen sind hilfreich, um sich selbst besser kennenzulernen und zu erforschen, ob die Vorwürfe an den Partner berechtigt sind oder das eigene innere Erleben widerspiegeln. Es kommt häufig vor, dass wir einen älteren Konflikt auf den Partner projizieren, also übertragen. Grund dafür kann sein, dass wir uns nicht mit unseren erlernten Glaubenssätzen und Befürchtungen auseinandersetzen wollen.
Im nächsten Schritt konfrontieren wir uns mit den Vorwürfen, die unser Partner gegen uns erhebt. Es ist wichtig, dass wir nicht nur unsere Kritik am Partner hinterfragen, sondern auch seine Vorwürfe genauer betrachten.
Dazu ist es wichtig, zu wissen, dass wir uns häufig Partner suchen, die genau auf unsere wunden Punkte drücken. An und für sich ist das nichts Schlechtes, da genau das uns die Möglichkeit bietet, uns weiterzuentwickeln. Es weist uns auf, dass es noch Aufgaben gibt, die wir bewältigen müssen.
Es kann vorkommen, dass wir Partner wählen, die eine Entwicklung, die uns noch bevorsteht, bereits abgeschlossen haben und somit eine Vorbildfunktion auf uns ausüben. Unbewusst hoffen wir allerdings vielleicht, dass wir diese Aufgaben nicht allein meistern müssen, sondern, dass uns unser Partner dabei liebevoll und wertschätzend unterstützt.
In der Realität sieht es aber leider oft ganz anders aus: Wir wollen unsere wunden Punkte gar nicht genauer betrachten, da sie unangenehme Gefühle in uns hervorrufen. Dazu kommt, dass der Partner immer wieder auf unsere wunden Punkte drückt, sodass wir uns handlungsunfähig fühlen und wir uns nicht weiterentwickeln können. Hierbei wird vom Schlüssel-Schloss-Prinzip gesprochen.
Das Schlüssel-Schloss-Prinzip
Bei diesem Prinzip sind wir das Schloss und unser Partner der Schlüssel. Dadurch, dass der Partner bei uns ins Schloss gefallen ist, sind wir eingesperrt, „locked in“. Der Schlüssel drückt immer wieder beim Drehen auf die wunden Punkte des Schlosses. Das führt dazu, dass wir uns handlungsunfähig fühlen. Dazu gehört, dass wir:
- Emotional erstarren bzw. gefügig werden
- Nicht mehr in der Lage sind „nein“ zu sagen
- Aggressionen entwickeln
Ein Problem kann außerdem sein, dass die entwickelte Aggression nicht dem Partner kommuniziert werden kann, sodass diese gegen einen selbst gerichtet wird (Autoaggression). Hierbei ist wichtig, genügend Distanz zu schaffen bzw. sich abzugrenzen, sodass es nicht zu einer Autoaggression kommt.
Damit es nicht zu einem Schlüssel-Schloss-Prinzip kommt, ist es essenziell, seiner Partnerschaft einen Spiegel vorzuhalten und diese genauer zu betrachten.
3 Arten von Spiegeln
Im Folgenden werden drei Spiegel näher beschrieben, in denen Sie sich und Ihren Partner eventuell wiedererkennen und Entwicklungspotential für Ihre Weiterentwicklung erarbeiten können.
1. Spiegel
Der erste Spiegel lässt uns erkennen, dass unser Partner genau wie wir ist. Das liegt, wie bereits erwähnt, daran, dass jeder von uns unbewusste Mechanismen aus unserer Kindheit in sich trägt.
Unsere früheren Erfahrungen mit unserer Familie und unserem Umfeld prägen uns und so ist es nicht verwunderlich, dass wir nach Ähnlichkeiten unserer Vergangenheit auch in unserem Partner suchen. Alt bekanntes schafft Sicherheit, da wir bereits auf Erfahrungen zurückgreifen können und auch eine gewisse Erwartungshaltung haben. Wir übertragen also diese Erfahrungen und Erwartungen auf unseren Partner, der diese wiederum spiegelt.
Wenn ein Konflikt mit dem Partner immer wieder negative Gefühle in uns hervorruft, dann löst der Partner in uns etwas aus, was schon länger in uns ruht.
Wichtig ist, dass wir dieses Schema erkennen und uns damit konfrontieren, da wir nur dadurch unser zukünftiges Verhalten ändern können.
2. Spiegel
Durch den zweiten Spiegel entdecken wir, dass uns unser Partner wortwörtlich spiegelt. Schon im alltäglichen Leben können wir bemerken, wie wir unser Umfeld und uns selbst wahrnehmen, wenn wir glücklich sind. Leute begegnen uns freundlich und sind zuvorkommend, wir fühlen eine innerliche Gelassenheit und Ruhe.
Wenn wir allerdings schlecht gelaunt sind, spiegelt unser Umfeld uns das sogleich wider, und wir haben das Gefühl, dass alles einfach schief geht. Wir werden angerempelt, verpassen die U-Bahn oder werden angepöbelt. Hierbei wird auch vom Gesetz der Resonanz gesprochen. Durch die Art meiner Gedanken, ziehe ich gleiches an.
An diesem Beispiel kann sehr gut verdeutlicht werden, wie schnell uns unsere Umwelt spiegelt und wir können davon ausgehen, dass uns unser Partner noch stärker spiegelt. Das Verhalten des Partners muss allerdings nicht immer spiegelgleich mit dem unsrigen sein, es kann auch gegengleich sein. Wenn wir also ein ruhiges Verhalten an den Tag legen, wird unser Partner versuchen uns positiv aus der Reserve zu locken.
Anhand dieses Spiegels können wir erkennen, was uns in unserer Partnerschaft fehlt. Möchten wir beispielsweise, dass unser Partner uns mehr Aufmerksamkeit schenkt, so müssen wir uns zuerst fragen, ob wir ihm und auch uns selbst genügend Aufmerksamkeit geben.
Hier gilt wiederum, wenn wir unser Verhalten nicht hinterfragen und ändern, wird sich auch nichts an dem Verhalten unseres Partners ändern.
3. Spiegel
Der dritte Spiegel macht uns bewusst, dass wir uns alles erlauben dürfen, was sich auch unser Partner gestattet. Beispielsweise handelt der Partner oft sehr rücksichtslos uns gegenüber. Anstatt, wie immer, gekränkt oder verletzt darauf zu reagieren, lernen wir aus diesem Verhalten. Das kann beispielsweise so aussehen, dass wir das Verhalten unseres Partners übernehmen und, ähnlich wie dieser, von nun an auch nur an unsere Bedürfnisse denken.
Ähnlich wie bei den zwei anderen Spiegeln, müssen wir zuerst den Tatsachen ins Auge sehen und erkennen, dass wir unser Verhalten ändern müssen, um eine langfristige Veränderung herbeizuführen.
Im folgenden Video “Warum ist der Partner der Spiegel Ihrer wunden Punkte?” erzähle ich Ihnen noch mehr über dieses Thema:
Die Wichtigkeit des Spiegels
Es ist wichtig, dass wir uns selbst und unserer Partnerschaft immer wieder einen Spiegel vorhalten. Dadurch gelingt es uns, Muster in unserem Verhalten zu erkennen, diese zu hinterfragen und uns mit unseren Gefühlen auseinanderzusetzen. Wir können uns weiterentwickeln und unsere Partnerschaft stärken.
Diese Reise kostet aber auch viel Kraft, sodass sie keinen Dauerzustand darstellen soll.
Im Hier und Jetzt zu sein, unsere Veränderungen zu beobachten und anzuerkennen ist mindestens genauso wichtig, wie der Weg dorthin.
Wie kommen wir vom Spiegel wieder weg?
Ein möglicher Ausweg besteht darin, dass wir vom Spiegel wegtreten.
Wenn Sie sich den Spiegel nur selbst vorgehalten haben, ist es wichtig, zukünftig auf Ihren Selbstwert zu achten.
Wie kann ich diesen durch meine neuen Entdeckungen stärken? Auf welche inneren Bedürfnisse, sowie Wünsche, bin ich gestoßen und wie kann ich diese verwirklichen?
Es ist notwendig, über all das anschließend zu reflektieren und zu überlegen, welchen Stellenwert Ihre (wieder-) gefundenen Bedürfnisse und Wünsche jetzt haben. Neue Perspektiven werden sich – damit einhergehend – für Sie eröffnen. Achten Sie auf sich selbst und stellen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse aufgrund Ihrer Beziehung nicht hinten an. Sprechen Sie mit ihrem Partner darüber, damit sie beide am gleichen Strang ziehen können.
Wenn Sie den Spiegel Ihrem Partner vorgehalten haben, stellen Sie sich neben ihn. Sie schauen jetzt beide in die gleiche Richtung. Durch Ihre neuen Entdeckungen können Sie Ihre Partnerschaft stärken, indem Sie überlegen, welche gemeinsamen Ziele Sie verwirklichen wollen. Welche neuen Themen fallen Ihnen ein, über die Sie sich unterhalten können? Welches Hobby können Sie gemeinsam ausprobieren? Was macht Ihnen beiden Spaß?
Oft liegt der Fehler an dieser Denkweise, immer an etwas Neues zu denken. Dabei kann auch auf alte, gemeinsame Erfahrungen und Hobbys zurückgegriffen werden.
Fazit
Wenn wir erlauben, dass unser Partner der Spiegel für uns selbst wird, können wir uns weiterentwickeln. Dazu müssen wir uns nicht nur mit den eigenen Vorwürfen an den Partner, sondern auch mit der Kritik, die der Partner an uns übt, genauer auseinandersetzen.
Weitere Hilfsmittel stellen Spiegel da, die uns einerseits erkennen lassen, dass unsere Partnerwahl aufgrund unserer unbewussten psychischen Struktur stattgefunden hat, und andererseits stellen wir fest, dass uns unser Partner bezüglich unserer Gefühle und unseres Verhaltens spiegelt. Durch die Spiegel gelingt es uns, Muster zu erkennen, uns damit auseinanderzusetzen, anderes Verhalten zu zeigen und damit einhergehend langfristige Veränderungen zu bewirken.
Es ist wichtig. auch wieder vom Spiegel wegzugehen, um neue Energie zu sammeln, seine bisherigen Erfolge zu beachten und zu feiern, sowie seine Partnerschaft durch die neuen Erkenntnisse zu stärken.
Diesen Weg müssen Sie natürlich nicht alleine beschreiten. Es ist durchaus sinnvoll, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Scheuen Sie sich nicht und suchen Sie Hilfe, wenn Sie nicht zurechtkommen.