Hygienemaßnahmen wurden uns in letzter Zeit immer wieder ins Bewusstsein gerufen. So viele Male haben wir von Maßnahmen wie richtiges Händewaschen, Hustenetikette oder anderen gehört. Wie steht es aber um unser Wissen bezüglich der Psychohygiene, des Erhalts der seelischen Gesundheit?
Häufig wird nicht darüber gesprochen. Wir gehen davon aus, dass die psychische Gesundheit einfach da ist, dass nicht viel dafür tun müssen – und bemerken erst, dass sie fehlt, wenn wir uns schlecht fühlen. Dann wird uns klar: Wir hätten schon viel früher etwas unternehmen müssen. Nur was? Und was können wir tun, wenn wir unsere Psyche bereits leidet? Hier helfen Maßnahmen der sogenannten Psychohygiene.
In diesem Artikel möchte ich darauf eingehen, was die Psychohygiene ist, welche positiven Effekte sie mit sich bringt, in welchen Fällen sie unbedingt notwendig ist und welche Maßnahmen der Psychohygiene es gibt bzw. wie wir uns darin einüben können – immer wieder und in ganz alltäglichen kleinen Übungen.
Was ist Psychohygiene?
Psychohygiene ist ein Begriff, der alle Maßnahmen zusammenfasst, die dabei helfen, unsere psychische Gesundheit zu erhalten, zu stärken und zu heilen.
Nach Mierke (1967) umfasst die Psychohygiene drei Ebenen, nämlich:
- Präventive Psychohygiene: Erhalt einer starken mentalen Gesundheit
- Restitutive Psychohygiene: Schutz vor seelischen Belastungen durch frühzeitige, regenerative Maßnahmen zur Gegensteuerung
- Kurative Psychohygiene: Heilung von bestehenden neurotischen Zügen oder psychischen Störungen durch klinische und psychotherapeutische Maßnahmen
Psychohygiene kann also in jeder Lebenslage helfen. Sie ist damit für jeden Menschen sinnvoll und sollte regelmäßig und langfristig praktiziert werden. Auch für psychisch gesunde Menschen ist eine tägliche Einübung in psychohygienischen Maßnahmen notwendig, um die Psyche fit, stark und gesund zu erhalten.
Positive Effekte der Psychohygiene
Die regelmäßige Ausübung von psychohygienischen Maßnahmen und deren Integration in den Alltag hat zahlreiche positive Effekte auf unsere psychische Gesundheit.
Sie trägt in hohem Maß zu unserer Lebensqualität bei, unter anderem durch folgende Effekte:
- Stressreduktion durch bessere Stressbewältigung und -prävention
- Abbau von Ängsten und Sorgen
- Seelisches und körperliches Wohlbefinden
- Achtsame Lebensführung
- Auseinandersetzung mit Konfliktthemen und deren Neubewertung
- Ausbruch aus innerem Gedankenkreisen und Grübeln
- Stärkung der Resilienz, der psychischen Widerstandsfähigkeit
- Leichterer Umgang mit Krisen und schweren Lebenssituationen
- Mehr Gelassenheit
- Mehr Selbsterkenntnis, Selbstakzeptanz und Selbstliebe
- Ein höheres Selbstwertgefühl
Anzeichen für eine geschwächte Psyche
Normalerweise richten wir nur wenig Aufmerksamkeit auf die Pflege unseres Innenlebens. Besonders dann, wenn alles funktioniert. Kommt jedoch eine zusätzliche Belastung hinzu oder ein Ereignis, mit dem wir nicht rechnen oder das uns aus der Bahn wirft, kommt unsere Psyche schnell an den Rand der Belastungsgrenze.
Spätestens wenn es uns nicht mehr gut geht und wir innerlich leiden, merken wir, wie sehr unsere Alltagsfähigkeit und Lebensqualität von der psychischen Gesundheit und Maßnahmen der Psychohygiene abhängt.
In diesem Kapitel finden Sie deshalb einen Überblick über Anzeichen, woran Sie merken bzw. abklären können, dass Ihrer Psyche bereits überlastet und geschwächt ist. Auf folgende Symptome und Merkmale sollten Sie dabei achten:
- Schlafstörungen
- Grübelneigung und „Gedankenkarusselle“ über Probleme und Sorgen
- Erschöpfung und Antriebslosigkeit
- Häufiger Zeitdruck und Stress
- Innere Unruhe und Gereiztheit
- Sinnlosigkeitsgefühl und innere Leere
- Gefühl der Überforderung
- Freudlosigkeit
- Häufige Konfrontation mit Leid und damit in Verbindung stehende psychische Belastung
- schwierigen Lebenssituationen wie Scheidung, Verlust eines geliebten Menschen, Schwangerschaft, Elternzeit
- wenig Möglichkeit für Austausch oder Gespräche
- Ängste, Sorgen und Unsicherheit über das Leben
- (organische) Krankheiten und Schmerzen, z.B. Magen-Darm-Krankheiten, Kopfschmerzen etc.
Diese Warnsignale sollten unbedingt ernst genommen werden. Sie sind auch ein Hinweis auf mögliche, (sich anbahnende) psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, Angststörungen, Burn-Out.
In solchen Fällen sind Maßnahmen der Psychohygiene notwendig und sogar überfällig, um Ihr inneres, seelisches Gleichgewicht und Ihr Wohlbefinden wiederherzustellen.
Sind Sie bereits mit einer Vielzahl dieser Merkmale konfrontiert, ist eine psychische Erkrankung wahrscheinlich und Sie sollten sich professionelle Hilfe in Form einer psychotherapeutischen Behandlung bzw. einer Lebensberatung oder eines Coachings suchen. Hier finden Sie Informationen, Rat und Begleitung bei der Bewältigung der Schwierigkeiten und beim Heilwerden.
Tipps für psychohygienische Maßnahmen
Wie Sie bereits sehen konnten, sind Maßnahmen der Psychohygiene mit positiven Effekten verbunden, die unsere Lebensqualität und unser Wohlbefinden in hohem Maße steigern. In manchen Fällen, wenn die Psyche bereits geschwächt und überlastet ist, sind diese wie beschrieben unumgänglich.
In diesem Kapitel möchte ich darlegen, welche psychohygienischen Maßnahmen es gibt und welche konkreten Möglichkeiten der Umsetzung von Psychohygiene im Alltag bestehen. Wenn Sie also an möglichen konkreten Schritten und einer Art „Umsetzungsanleitung“ interessiert sind, werden Sie hier fündig.
Es gibt Strategien im Äußeren, die Sie anwenden können. Diese sind z.B.:
- klare Strukturen im Alltag: planen Sie sich immer wieder Pausen ein, an die Sie sich auch halten.
- machbare Arbeitspläne oder To-Do-Lists: achten Sie hier auf eine Balance zwischen angenehmen und unangenehmen Arbeiten und dass Sie sich nicht überfordern.
- eine ausgewogene Work-Life-Balance: Ihr Privatleben sollte nicht zu kurz kommen. Unterscheiden Sie auch klar zwischen privaten und professionellen Aufgaben und Ihren Rollen.
- Gespräche und Austausch mit Kollegen und Freunden
- Körperliche Fitness und Vitalität: Durch ausreichend Bewegung, Sport, frische Luft und Schlaf halten Sie sich gesund und ausgeglichen.
- Übermäßigen Konsum von Genussmitteln meiden
Strategien im Inneren könnten z.B. sein:
- regelmäßiges über das eigene Befinden reflektieren: Dies ist z.B. abends vor dem zu Bett gehen möglich. Tun Sie das, wenn möglich, auch schriftlich. Das fördert das klare Benennen und erste Strukturieren der Gedanken.
- ein Dankbarkeitstagebuch führen: Das schärft den Blick für die positiven Dinge im Leben, auch die Kleinigkeiten, die wir ansonsten übersehen.
- Sich Meditation, Achtsamkeits– und Atemübungen einüben: Diese sind geeignet, um wieder ins Hier und Jetzt zu kommen, weg von negativen Gedanken und Sorgen. Sie sorgen so dafür, dass Sie wieder „runterkommen“ und entspannen.
- einüben von Gedanken-Stop-Methoden: Damit können Sie im Notfall übermäßige Sorgen, Ängste und Gedankenkarusselle unterbrechen.
- negative Glaubenssätze auflösen: Eigene Lebensmottos, die oft sehr unbarmherzig und selbstkritisch sind (z.B. „Ich mache nichts richtig.“), identifizieren und durch motivierende, positive Sätze (z.B. „Ich kann alles schaffen. Ich darf auch Fehler machen.“) ersetzen.
Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Prinzipiell gilt: Alles was Ihnen guttut und Sie (wirklich) entspannt und zur Ruhe kommen lässt, ist gut und stärkt Ihre Psychohygiene.
Fazit
Die Psychohygiene ist, wie Sie vielleicht sehen konnten, ein weites Feld. Alle Maßnahmen, die uns (persönlich) guttun, uns zur Ruhe kommen lassen, wobei wir auftanken können, fallen darunter. Vieles davon tun wir immer wieder, als Teil unseres Alltags, unbewusst und ganz automatisch.
Wenn Sie jedoch feststellen, dass Ihnen alles zu viel ist, Ihre Psyche leidet und geschwächt ist, sollten Sie unbedingt bewusst und aktiv Maßnahmen der Psychohygiene ergreifen und sich darin einüben. Besonders bei Zutreffen der genannten Warnsignale sollten Sie wachsam werden. Nehmen Sie diese ernst und holen Sie sich, wenn nötig, auch professionelle Hilfe, um psychische Probleme und mögliche Erkrankungen abzuklären und eine Aufarbeitung anzugehen!
Es lohnt sich! Denn unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität hängt entscheidend von unserem inneren Gleichgewicht und psychischen Funktionalität ab.
Für die Einübung bzw. die Wiederherstellung Ihrer Psychohygiene wünsche ich Ihnen viel Erfolg und alles Gute!