Den Sinn des Lebens finden und damit glücklich werden. Kaum eine Vorstellung ist so weit verbreitet wie diese. Die Frage danach wird häufig gestellt, es wird darüber debattiert. Auch in der Nachfrage an Literatur oder Online-Suchanfragen lässt sich dieser Trend ablesen.
Die Frage nach dem Sinn sitzt tief und scheint etwas sehr Menschliches zu sein. Sie wurzelt in dem Wunsch, dass wir Teil von etwas Größerem sind, dass unser Leben mehr ist als nur unser kurzes Dasein. Dass wir etwas weitergeben und dass Leiden, Sorgen, Entbehrungen nicht umsonst waren.
Obwohl die Frage nach dem Sinn des Lebens naturwissenschaftlich nicht beantwortet werden kann, versucht doch jeder (zumindest unbewusst) seine ganz persönliche Antwort darauf zu finden und sein Leben danach zu gestalten. Der Sinn des Lebens bleibt jedoch eine Sache, die nicht offensichtlich oder beweisbar ist, vielmehr ist es eine Sache von Glauben und Weltanschauung.
Deshalb möchte ich mich heute einer etwas anderen Frage zuwenden, nämlich der nach dem Sinn im Leben, also dem was uns in unserem Leben erfüllen kann, woran wir uns erfreuen, was wir gerne tun, was uns begeistert und inspiriert und was unserem Alltag, unserem Tun Bedeutung und Richtung gibt – und wir diesen Sinn finden.
Wenn Sie interessiert sind, warum das Thema so relevant für uns ist, was die positiven Effekte davon sind, wann wir uns sinnerfüllt fühlen, welches mögliche Sinnquellen sind und wie wir mit Sinnkrisen umgehen können, lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr darüber.
Warum das Suchen nach dem Lebenssinn so relevant ist
Bei der Sinnfrage handelt es sich um eine Lebensfrage. Sie betrifft unsere eigene Identität, unser Innerstes, unsere Überzeugungen. Sie ist damit auch die Basis für unsere Motivation und unser Handeln.
Je nach Lebensphase und unseren damit zusammenhängenden wechselnden Rollen (als Kind, Eltern, Angestellter, Selbstständiger, Pensionist etc.) beantworten wir die Frage nach einem Sinn im Leben unterschiedlich, das heißt Sinn im Leben ist wandelbar. Wir müssen ihn immer wieder neu finden und entdecken. Die Frage danach begleitet uns ein Leben lang.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist zudem eine steigende Prävalenz von Sinnkrisen zu beobachten. Immer mehr Menschen empfinden ihr Leben als leer und sinnlos und leiden darunter. Dies betrifft vor allem junge Erwachsene. Über die Gründe dafür kann man nur mutmaßen. Eine der Ursachen scheint jedoch zu sein, dass traditionelle Werte immer mehr infrage gestellt werden und sich Menschen damit konfrontiert sehen, ihren ganz eigenen individuellen Weg, ihren individuellen Sinn zu finden – ein sehr herausfordernder Anspruch, dem anscheinend manche nicht gerecht werden können, obwohl sie es sich wünschen.
Was sind die positiven Effekte von Sinn im Leben?
Die Forschung hat gezeigt, dass sich ein Sinn im Leben positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt, indem er uns hilft, uns selbst anzunehmen, unsere Emotionen besser zu regulieren und unsere Resilienz zu stärken. Außerdem befriedigt er unsere menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie und sozialer Eingebundenheit.
Auch die körperliche Gesundheit ist bei Menschen, die Sinn im Leben erfahren, oft besser, da sie ihr Leben lohnend finden und deshalb eher gesundheitsförderlichen Aktivitäten nachgehen und gesundheitsschädliches Verhalten reduzieren.
Zudem gibt uns ein Sinn im Leben eine gewisse Standhaftigkeit, um mit Problemen und Krisen umzugehen, und die Fähigkeit, über die Widrigkeiten hinauszublicken, für das Gute dankbar zu sein und trotz der Schwierigkeiten eine positive Zukunftsperspektive beizubehalten. Auf diese Weise kann ein Sinn im Leben eine gewisse Schutzwirkung vor den negativen Konsequenzen von Schwierigkeiten entfalten, indem er hilft, diese zu relativieren. Denn wie der österreichische Neurologe, Psychiater und Gründer der Logotherapie Viktor Frankl bereits sagte:
„Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminent psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert. Wer um einen Sinn seines Lebens weiß, dem verhilft dieses Bewusstsein mehr als alles andere dazu, äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden zu überwinden“
Insgesamt macht uns Sinnfindung glücklich. Sie gibt uns das Gefühl von Sicherheit und bewirkt damit auf einer emotionalen Ebene, dass wir uns ankommen und „zuhause“ fühlen.
Was mach Sinnerfüllung wirklich aus?
Wenn wir Sinnerfüllung erfahren, scheint alles stimmig und „rund“ – auch wenn eventuell Schwierigkeiten vorhanden sind. Wir haben das Gefühl: „Im Großen und Ganzen geht es in die richtige Richtung.“
Dies hängt mit Komponenten der Sinnerfüllung zusammen, die in uns befriedigt sind. Im Alltag sind sie nicht leicht wahrzunehmen oder in Worte zu fassen. Die Sinnforschung konnte jedoch vier Merkmale identifizieren:
- Bedeutsamkeit: Das Gefühl, wahrgenommen zu werden und etwas bewirken zu können.
- Orientierung: Die Wahl eines Lebensweges und damit einer Richtung im Leben.
- Zugehörigkeit: Das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen sein und in die Welt zu gehören.
- Kohärenz: Gefühl von Stimmigkeit des Lebens, von Zusammenhang und Kontinuität des eigenen Handelns.
Sinnerfüllung entsteht, wenn wir langfristig mit den Konsequenzen unseres Handelns zufrieden sind. Sinnerfüllte gestalten ihr Leben aktiv mit dem, was sie können und wollen. Dafür nehmen sie auch Anstrengungen und Schwierigkeiten in Kauf, weil sie wissen, dass sie an der Herausforderung wachsen und diese nutzen können, um zu sehen: „Ich schaffe das“.
Damit ist Sinnerfüllung etwas anderes als nur die Erfüllung unserer (kurzfristigen) Bedürfnisse, welche uns die Wohlfühlgesellschaft und die Werbung ständig vorschlägt. Der leichte Weg oder der des geringsten Widerstands ist nicht immer der richtige oder der, der uns am glücklichsten macht. Die Erfahrung zeigt uns, dass leichte Optionen zwar kurzfristig angenehm sind, jedoch langfristig keine wirklich positiven, anhaltenden Konsequenzen mit sich bringen.
Eine Entscheidung zu treffen, kann schwierig sein. Jedoch hilft es, sich hin und wieder in Erinnerung zu rufen, dass Anstrengung an sich nichts Schlechtes ist und sie uns sogar weiterbringen kann.
Welche Quellen des Lebenssinns gibt es?
Lebenssinn kann durch unterschiedliche Quellen gestiftet und erworben werden. Ausgehend von der Annahme, dass Menschen in ihrem gesamten Leben und Erleben sinnstiftende Verhaltensweisen, Ziele und Lebensbedeutungen finden und zuschreiben, konnten insgesamt folgende 26 Kategorien von Lebensbedeutungen ausgemacht werden, welche sich fünf großen Dimensionen zuordnen lassen:
- Vertikale Selbsttranszendenz, das heißt Hinwendung zu einem übergeordneten Wesen (z.B. Gott) oder dem Universum etc.: Explizite Religiosität, Spiritualität
- Horizontale Selbstverwirklichung, das heißt eingebunden sein in ein größeres Ganzes, die Gesellschaft, die Welt etc.: Soziales Engagement, Naturverbundenheit, Selbsterkenntnis, Gesundheit, Generativität
- Selbstverwirklichung: Herausforderung, Individualismus, Macht, Entwicklung, Leistung, Freiheit, Wissen, Kreativität
- Ordnung: Tradition, Bodenständigkeit, Moral, Vernunft
- Wir- und Wohlgefühl: Gemeinschaft, Spaß, Liebe, Wellness, Fürsorge, Bewusstes Erleben, Harmonie
Besonders sinnstiftend für Menschen jeden Alters, Geschlechts und Nationalität ist die Generativität. Dieser Begriff beschreibt das Gefühl von Verbundenheit mit der Menschheit und allen Generationen und den Wunsch, etwas von sich an andere weiterzugeben (z.B. Liebe, Leben, Wissen, Erfahrungen, Werten, Kunst etc.). Auch die anderen Lebensbedeutungen der Dimensionen der Vertikalen und Horizontalen Selbsttranszendenz haben sich in verschiedenen Studien als gute Sinnstifter erwiesen.
Dies deutet darauf hin, dass für Menschen eine besondere Quelle von Sinn daran liegt, von sich selbst abzusehen, auf etwas „hingeordnet“ zu sein oder hinzuleben, was nicht er selbst ist oder was ihn übersteigt.
Außerdem hat sich gezeigt, dass eine Ausgewogenheit der Sinnquellen, also eine Balance mehrerer Lebensbereiche, besonders zum Ausmaß der Sinnerfüllung beiträgt. Wer den Sinn also nur in der Selbsttranszendenz sucht, wird ihn möglicherweise genauso wenig finden, wie einer, dem es nur um Selbstverwirklichung oder das Wir- und Wohlgefühl geht.
Sinnkrisen als Chance
Wenn Menschen ihr Leben als sinnlos und leer empfinden, kann sie das in eine tiefe Krise stürzen – eine Sinnkrise. Diese ist ein leidvoller, bewusst erlebter Zustand von Sinnleere, geprägt von großer Sehnsucht und dem Streben nach Sinn und Bedeutung. Gleichzeitig nehmen Pessimismus, Frustration und Gefühle von Angst zu.
Eine Sinnkrise hat viel gemeinsam mit dem Gefühl von Leere einer Depression, ist aber nicht das gleiche. Zwar haben Menschen, die an einer Depression leiden, oft zugleich eine Sinnkrise. Andersherum ist jedoch nur bei einem kleinen Anteil der Menschen, die eine Sinnkrise erleben, zudem eine Depression diagnostizierbar.
Gelingt es Betroffenen aber, das Leid und die Angst zuzulassen, kann es sie in die Lage versetzen, einen wichtigen Perspektivenwechsel zu vollziehen, sich nicht mehr als Opfer der Umstände zu fühlen, sondern im Leiden selbst tätig zu werden: es anzunehmen, umzudenken, einen neuen realistischen Blick auf sich, das Leben, Ziele und Wünsche zu gewinnen.
Dafür ist es notwendig, sich die nötige Zeit und den Raum zu geben, bei sich anzukommen, statt immer nur davon abzulenken oder das Problem zu verdrängen. Außerdem ist es hilfreich, sich jemandem anzuvertrauen oder gegebenenfalls professionelle Hilfe zu suchen, bei dem wir Rückhalt erfahren und der uns wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt.
Wenn wir die notwendigen Veränderungen in unserem Leben wahrnehmen und zulassen, kann das Leben nach der Krise authentischer und sinnvoller sein. Wir wachsen daran, weil wir vor allem in der Krise merken, wer wir sind und was uns eigentlich wichtig ist.
Fazit
Sinn im Leben können wir in jeder Lebensphase, zu jeder Zeit, in jeder Situation und auf vielerlei Weise finden. Er trägt uns, macht uns psychisch und körperlich gesünder und letztlich zufrieden und glücklich, trotz mancher Schwierigkeiten oder Anstrengungen, die wir dafür auf uns nehmen.
Vielleicht konnten Sie in diesem Artikel neue Informationen finden, die Ihnen Denkanstoß und Inspiration sein können, Ihr Leben zu reflektieren und eventuell eine neue Richtung zu geben, indem Sie neue Arten der Sinnfindung ausprobieren.
Wenn Sie von einer Sinnkrise betroffen sind, suchen Sie sich Unterstützung! Diese Zeit kann dann vielleicht eine Chance sein, notwendige Lebensveränderungen anzugehen, neue Sinnquellen zu entdecken und wieder sinnerfüllt und zufrieden zu leben.
Für Ihre Sinnfindung wünsche ich Ihnen alles Gute!