Traumas können jedem passieren und sind eine normale Reaktion auf ein äußerst belastendes, einschneidendes Ereignis. Aufgrund der möglichen Ursachen ist das öffentliche und journalistische Interesse daran groß – und auch unser Mitgefühl mit den Betroffenen.
Spätestens seit der „Entdeckung“ der Posttraumatischen Belastungsstörung an zurückgekehrten Soldaten des Vietnamkrieges als eigene Krankheit und die Einführung der Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ (kurz: PTBS) im Jahr 1980 wächst auch das wissenschaftliche Forschungsinteresse daran erheblich. Glücklicherweise gibt es seitdem immer bessere Erkenntnisse über die Ursachen und Anzeichen der Krankheit und mögliche Behandlungsformen.
In der Folge gibt es ein immer größeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Auswirkungen traumatischer und katastrophaler Erlebnisse auf unsere Psyche und wie tief die so entstandenen seelischen Verletzungen sein können. Vielleicht sind Sie selbst betroffen? Oder kennen jemanden, der weiterhin mit Erinnerungen an traumatische Erlebnisse zu kämpfen hat und diese nicht verarbeiten kann? Sie haben einfach Interesse an diesem Thema? Dann sind Sie hier richtig.
In diesem Artikel möchten wir einen Überblick zum Thema der Traumabewältigung geben mit Maßnahmen zur Soforthilfe bei auftretenden Flashbacks und einer langfristigen Traumatherapie. Zunächst möchten wir aber klären, was die Begriffe „Trauma“ und „Flashback“ eigentlich genau meinen.
Was ist ein Trauma?
Traumas sind starke seelische Verletzungen, die durch ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit intensivem Bedrohungs- und Katastrophencharakter hervorgerufen werden, z.B. durch Unfälle, Naturkatastrophen, schwere Krankheitsdiagnose, Tod nahestehender Personen, Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen, Folter und Krieg.
Diese Ereignisse setzen Körper und Psyche einer enormen Stressbelastung aus, welche nicht mehr integrierbar sind oder verarbeitet werden können. In der Folge kommt es zu einer Belastungsstörung, einer (teilweise zeitverzögerten) heftigen emotionalen Reaktionen und in vielen Fällen zu psychischen und psychosomatischen Symptomen, z.B.:
- Vermeidung von Situationen, die an das Trauma erinnern
- erhöhte Wachheit (sog. Hypervigilanz), Übererregbarkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche
- Starke körperliche Reaktionen bei Erinnerung an das Trauma (Herzrasen, Schwitzen, Atemnot, Unruhe, Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten)
- Vollständige oder teilweise Unfähigkeit, sich an das traumatische Ereignis zu erinnern
- Sozialer Rückzug
- Gefühl von Betäubtsein, emotionaler Stumpfheit und Gleichgültigkeit
- Negative Stimmung
- Häufig sind zudem andere psychische Begleiterkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, psychosomatische Schmerzreaktionen oder Süchte zu beobachten.
Was sind Flashbacks?
Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Posttraumatischen Belastungsstörung sind Flashbacks und wiederkehrende (Alb-)Träume. Flashbacks werden auch Nachhallerinnerungen genannt, weil immer wieder Erinnerungen an das belastende Ereignis hochkommen, die sich oft nach Erleben eines oder mehrerer bestimmten Trigger-Reize aufzudrängen scheinen. Betroffene haben dabei das Gefühl, die Situation noch einmal zu durchleben.
Oft treten diese Erinnerungen gemeinsam mit dissoziativen Zuständen auf. Dies ist eine Schutzreaktion der Psyche, wobei Erinnerungen und Gefühle vom Bewusstsein abgespalten werden. Dazu gehören:
- Derealisation: das Gefühl, dass Geschehnisse nicht real sind oder alles nur zu träumen.
- Depersonalisation: einem Gefühl „neben sich zu stehen“, außerhalb des eigenen Körpers zu sein, alles von außen zu beobachten.
Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Flashbacks
Vor allem Flashbacks und damit in Verbindung stehende dissoziative Zustände können sehr belastend sein. Sie können je nach Ausmaß dazu führen, dass Betroffene in bestimmten Situationen und nach Auftreten eines Trigger-Reizes einen emotionalen Zusammenbruch und totalen Kontrollverlust erleben. Sie haben die Eigenschaft, das Trauma auf eine Weise und in einer Intensität hervorzuholen, die eine normale Erinnerung bei weitem übersteigt. Die Gefahr einer Retraumatisierung ist dabei nicht zu unterschätzen.
Deshalb ist es wichtig, Flashbacks zu vermeiden oder (wenn sie bereits da sind) zu unterbrechen. Betroffene müssen dafür wissen, wie sie in solchen Situationen zu handeln haben und was als „Erste-Hilfe-Maßnahme“ besonders wirksam ist.
Diese Maßnahmen können unabhängig von einer psychotherapeutischen Aufarbeitung angewandt werden und sind in bestimmten Fällen sogar Voraussetzung für ein wirkungsvolles, erfolgreiches therapeutisches Arbeiten, um sich bei hochkommenden schmerzhaften Erinnerungen und in dissoziativen Zuständen schnell wieder stabilisieren zu können und sich nicht zu überfordern.
Folgende Maßnahmen können im Akutfall helfen:
- Gedankenstopp aussprechen (mit dem Wissen, dass Sie sich irgendwann in einem geeigneten Rahmen damit beschäftigen werden – aber nicht jetzt)
- Sich bewusst machen: „Das ist nur eine Dissoziation, ein Flashback, nicht die Realität. Ich bin jetzt sicher. Ich brauche diesen Schutzmechanismus nicht mehr.“ (Sprechen Sie das, wenn es hilft, auch laut aus!)
- Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Sinneseindrücke. Halten Sie die Augen offen, spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen etc. Wenn nötig bringen Sie sich selbst „zurück in Ihren Körper“ z.B. durch
- Kaltes Wasser über Arme und Hände,
- Riechen an intensiven Gerüchen oder Aromaölen (Ammoniak ist am wirksamsten, in der Apotheke erhältlich),
- Sich selbst kneifen,
- Etwas bewusst schmecken
- Bewusstes Duschen, das Wasser auf der Haut spüren
- Bewusstes Atmen, Konzentration vor allem auf das Ausatmen.
- Etwas in die Hand nehmen, z.B. ein Stofftier oder ein anderer wohltuender Gegenstand: Halten Sie sich daran fest und betrachten Sie es bewusst.
- Bewegen Sie sich: gehen Sie spazieren, stampfen Sie mit den Füßen, schütteln Sie Ihre Glieder aus, tanzen Sie
- Suchen Sie eine vertraute Person auf, bei der Sie sich sicher fühlen
- Machen Sie sich bewusst, wo Sie jetzt gerade sind, welches Datum ist, dass das Erlebte hinter Ihnen liegt.
- Gehen Sie liebevoll und mitfühlend mit sich um.
Diese Liste könnte noch fortgesetzt werden. Prinzipiell gilt: Alles, was Sie zurück ins Hier und Jetzt bringt, und alles, was Ihnen guttut, kann helfen. Vermeiden Sie in jedem Fall zusätzlichen Stress!
Und probieren Sie bereits im Vorhinein aus, was Ihnen hilft und guttut. Auf diese Weise können Sie sich eine Art „Notfallkoffer“ zusammenstellen mit Maßnahmen, die Ihnen im Fall eines Flashbacks oder einer Dissoziation helfen – eine Liste oder Schritt-für-Schritt-Anleitung, an die Sie sich im Akutfall halten können.
Kommunizieren Sie auch mit anderen über die Möglichkeit von Flashbacks, woran sie diese von außen erkennen und was Ihnen in diesem Fall weiterhilft und guttut. Sind andere Personen dann anwesend, können Sie diese unterstützen und Stabilität und Ruhe vermitteln, statt selbst verunsichert, nervös und unruhig zu werden.
Was ist eine Traumatherapie?
Bei einer Traumatisierung ist es wichtig, ein Gefühl der Sicherheit zurückzuerlangen. Auch wenn Sie äußerlich sicher sind, die innere Sicherheit benötigt Zeit, um sich zu entwickeln. Wichtig sind hier Maßnahmen, die Stabilität geben und beruhigen, z.B.:
- die Etablierung eines festen Tagesablaufs, Routinen und Struktur,
- körperliche Bewegung
- Tätigkeiten, die gut tun und wohltuend sind
- Die äußere Gestaltung eines sicheren Raumes, des Zuhauses
- Inanspruchnahme der Hilfe einer vertrauten Person
- über das Geschehene und Ihre Gefühle reden. (Hinweis: Nur wenn es Ihnen guttut. Wahren Sie dabei aber auch die eigenen und fremden Grenzen und überfordern Sie sich nicht!)
- Informationen über Symptome, Signale und Dynamiken
- Distanzierung vom Geschehenen (z.B. „Ich bin mehr als mein Trauma.“ „Ich bin jetzt sicher und kann mir mein Leben wieder zurückholen.“)
Da es sich bei einem Trauma um eine sehr tiefe seelische Verletzung handelt, sind die Erste-Hilfe-Maßnahmen allein und oben genannte Punkte zur Schaffung von Sicherheit und bei der Traumabewältigung (langfristig) nicht ausreichend.
Betroffene sollten unbedingt eine Traumatherapie oder Psychotherapie (wenn möglich mit einem traumatherapeutischen Schwerpunkt) in Anspruch nehmen. Eine Traumatherapie legt den Fokus auf die Stärken und Ressourcen von Patienten, was den Betroffenen dabei hilft, zu sehen, dass sie mehr sind als nur ihr Trauma und dass diese Verletzung zwar Teil von ihnen ist, aber dass sie nicht ganz daran zerbrochen sind.
3 Wichtige Schritte der Traumatherapie
Bei der Therapie von einem Trauma werden üblicherweise folgende Schritte durchlaufen:
1. Schritt: Zunächst wird die Stabilität des Patienten in den Vordergrund gestellt, die zurückerlangt werden muss, bevor eine Weiterbehandlung erfolgen kann. Wenn andere Begleiterkrankungen wie Süchte oder Depressionen vorliegen, werden diese Erkrankungen zuerst behandelt.
2. Schritt: Hier wird eine Aufarbeitung des Traumas angestrebt. Dieser Schritt ist sehr wichtig, da ein unbehandeltes Trauma sich weiter auf das Leben auswirkt, sich verfestigt und damit immer schwerer zu behandeln oder zu heilen ist. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass Sicherheit vermittelt wird durch die Schaffung von Strukturen und die Generierung neuer Erfahrungen von Geborgenheit und Sicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen.
3. Schritt: Der dritte und letzte Schritt der Therapie ist die Integration des Traumas in das Leben. Im Vordergrund steht dabei eine Wiedererlangung der Kontrolle über das eigene Leben und die Anerkennung des Traumas als Teil der Lebensgeschichte als vergangenes Erlebnis, das der Patient hinter sich lassen kann.
Noch ein Hinweis: Die Beschäftigung mit dem Trauma führt wahrscheinlich dazu, dass alte Gefühle und Erinnerungen verstärkt an die Oberfläche kommen. Dies erfordert eine gewisse Stabilität. Gehen Sie also nicht ohne professionelle Hilfe vor! Seien Sie sich zudem bewusst, dass sich die Symptome durch die Behandlung und die dadurch geschehene Bewusstmachung zunächst verschlimmern können, was schmerzhaft sein kann. Verzweifeln Sie deswegen nicht und geben Sie nicht auf! Analog zu körperlichen Wunden wird auch diese seelische Verletzung bei „Berührung“ schmerzen. Aber nur durch eine Behandlung kann diese Wunde richtig heilen. Achten Sie jedoch in jedem Fall auf Ihre Grenzen und kommunizieren Sie diese (auch gegenüber Ihrem Therapeuten), damit eine Retraumatisierung in jedem Fall verhindert werden kann!
Arten von Traumatherapien
Traumas können je nach der Ausbildung des Therapeuten und Vorerfahrungen des Patienten sehr wirksam mit verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen behandelt werden. Im Folgenden möchten wir Ihnen davon überblickshaft einige vorstellen.
Mögliche traumatherapeutische Ansätze sind unter anderem:
- EMDR (= Eye Movement Desensitization and Reprocessing): Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederverarbeitung der traumatischen Erlebnisse
- Kognitive Verhaltenstherapie: Denk- und Verhaltensmuster, die durch das Trauma entstanden sind, werden verändert.
- Psychodynamische Psychotherapie: unbewusste Wirkungen des Traumas auf den Patienten (z.B. Werteverschiebungen) sollen herausgefunden, bewusst gemacht und auf diese Weise behandelt werden.
- Ego-State-Therapie: körper- und ressourcenorientierter Ansatz, bei dem eine Kommunikation der verschiedenen Ich-Anteile und eine verbesserte „innere Teamarbeit“ angestrebt wird, was dabei hilft, abgespaltene Persönlichkeitsanteile und Erinnerungen zu integrieren.
Ergänzende Maßnahmen zur Traumatherapie
Ergänzend zur eigentlichen Traumatherapie werden meist körper- und bewegungstherapeutische Verfahren, Entspannungsmethoden, (Atem-)Meditation, Kunst- und Musiktherapie eingesetzt.
Bei Bedarf wird auch eine Medikation mit Antidepressiva oder Antipsychotika angeboten. Diese sollte jedoch nicht langfristig eingenommen werden und keine Psychotherapie ersetzen! Sie kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn der Patient aufgrund seiner psychischen Verfassung nicht in der Lage ist, eine Psychotherapie zu beginnen und/oder sich aktiv daran zu beteiligen.
Fazit
Traumas sind normale Reaktionen auf belastende, traumatisierende Erlebnisse. Wir hoffen, dass wir Ihnen in diesem Artikel einen Überblick über die Traumabewältigung geben konnten.
Neben den Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Flashbacks und Dissoziationen ist eine Traumatherapie langfristig sinnvoll und notwendig. Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies ist der erste Schritt für eine Aufarbeitung des Traumas und Grundstein für eine erfolgreiche Behandlung. Denn dafür braucht es vor allem eines: Ihren Mut, Ihre Bereitschaft und Ihr Vertrauen. Es kann mühsam sein und am Anfang vielleicht sogar schmerzhaft, aber: Es lohnt sich!