Wir wissen bereits, dass unser Mikrobiom mit dem Organ Darm, also unseren körpereigenen Zellen, unzertrennlich verbunden ist, aber wie weit reicht diese Kooperation denn eigentlich? Gibt es weitreichender Effekte in diesem Zusammenspiel? Die Antwort ist wenig überraschend: Ja. Denn heute lernen wir stetig mehr darüber, wie sich Darmbakterien, Darmzellen und Gehirn austauschen. Ärzte, Therapeuten und Forscher sprechen hier von der Darm-Hirn-Achse.
Serotonin
So wie viele Leute wissen, brauchen wir Serotonin, und seine Vorstufen (5-Hydroxytryptophan, Tryptophan) auf jeden Fall für unser Gehirn. Dort ist Serotonin nicht nur wichtig für unser geistiges Wohlbefinden, sondern wird auch in weiterer Folge in das Hormon Melatonin umgewandelt. Dieses ist der Hauptauslöser für unseren Schlaf, und Störungen dieses Systems können zu unterschiedlichsten Komplikationen führen, da auf lange Sicht ein gestörter Schlaf, egal ob Qualität, Zyklus, oder andere Problematiken, zu echten Erkrankungen führen kann, bzw. diese verschärfen kann. Durch den Zusammenhang der Darm-Hirn-Achse wissen wir nun, dass wir allerdings drei unterschiedliche Systeme untersuchen müssen, wenn z.B. unser Schlaf gestört ist. Darm, sowohl das Mikrobiom, die Darmschleimhaut, als auch die Botenstoffe im Blut.
Tatsächlich macht das Serotonin im Gehirn allerdings je nach Lektüre nur zwischen 4% – 5% des gesamten Serotonins im Körper aus. Der Rest, und die damit überwiegende Mehrheit, befindet sich im Darm, also sowohl in den Darmzellen, also auch im angrenzenden Immunsystem, als auch im Darminnenraum. In letzterem finden wir v.a. die Vorstufe Tryptophan, welches meist durch Bifidusbakterien (z.B. Bifidobacterium longum, Bifidobacterium infantis) bereitgestellt wird.
Serotonin im Darm – Wozu?
Der Darm ist umgeben von einer Vielzahl unterschiedlichster, hochgradig spezialisierter Zellen, darunter auch die sogenannten enterochromaffinen Zellen. Diese reagieren sehr empfindlich auf unterschiedlichste Reize im Darminnenraum, darunter auch Nahrungsmittel, und entlassen variable Mengen Serotonin darin. Dies dient der Anregung der Darmmotilität, also seiner Bewegungsfähigkeit, welche die Verdauung anregt. Im späteren Verlauf wird dieses Serotonin wiederaufgenommen und recycelt. In Krankheitsbildern, wie Reizdarm, chronische Verstopfung, imperativen Stuhldrängen, aber auch unterschiedlichen Formen der Dyspepsien (siehe unseren Blog: Verdauungsstörungen), ist häufig der Serotoninhaushalt, die Abgabe dessen, oder der Darm selbst gestört. Dies führt uns wiederum zu Dysbiosen.
Bereits öfter haben wir in der Vergangenheit erwähnt, dass diese Störungen des Mikrobioms einen permanenten Reiz an der Darmschleimhaut darstellen, was letztlich auch zu einem gestörten Serotoninmetabolismus führen kann. Hier kann nun auch das Recycling des Serotonins nicht korrekt erfolgen.
So wissen wir zum Beispiel auch, dass es etwa bei Chemotherapien – welche im Wesentlichen unser Körper als Gifte erkennt – zu einer starken Ausschüttung an Serotonin in Magen und Darm kommt, wodurch Brechreiz, Übelkeit und Darmmotilität (Durchfall) gefördert werden sollen. Dies ist eine natürliche und sinnvolle Reaktion des Körpers um Gifte aus Magen- und Darmtrakt zu entfernen. Doch hier geht nicht nur Serotonin, sondern auch unser Mikrobiom, Schritt für Schritt verloren. Dies wiederum benötigen wir unbedingt zur Herstellung der Serotoninvorstufen. Ein Teufelskreis beginnt und trotz bester medikamentöser Versorgung ist eine häufige Nebenwirkung der Chemotherapie die Depression, meist allerdings erst auf lange Sicht.
Das Beispiel einer Chemotherapie mag nun etwas krass erscheinen, doch wenn man bedenkt, dass Dysbiosen, deren Symptome unter Anderem Durchfall, Wechselstühle und das Auslöschen notwendiger Darmbakterien sind, dann wird man nur unschwer erkennen, dass hier ein Zusammenhang besteht. Bleiben diese Probleme nämlich unerkannt und unbehandelt, so kann sich über Jahre das Gleichgewicht unserer Biochemie dramatisch verschieben. Depression ist also nicht nur Kopfsache, sondern kann auch in unterschiedlichen Graden vom Darm und dem Mikrobiom beeinflusst werden.
Dies sollte als Beispiel dienen, wie sich ein anfängliches Darmproblem bis ins Gehirn weiterziehen kann.
Komplexität der Darm-Hirn-Achse
Die komplexe Kommunikation zwischen Darm, Bakterien und Gehirn, welche in ihrer Gesamtheit die Darm-Hirn-Achse zusammenfasst, wird erst seit eher kurzer Zeit beforscht. Wenig verwunderlich ist es, dass beinahe monatlich neue Erkenntnisse publiziert werden, und trotzdem die exakten Hintergründe nicht vollends klar sind. Dennoch wissen wir bereits wie stark sich diese Darm-Hirn-Achse auf unterschiedlichste Probleme und Krankheiten auswirken kann.
Studien haben hier gezeigt, dass Darm, Mikrobiom, Übergewicht, Verdauungsleistung, sowie unterschiedliche psychische und neurologische Erkrankungen, nicht getrennt zu betrachten sind, da der Einfluss unseres Darms und Mikrobioms in alle Bereiche des Körpers reicht. Dies ist nur logisch, da wir wissen, dass Darm und Gehirn, eben z.B. über den Botenstoff Serotonin in reger Kommunikation miteinander stehen.
Moderne Forschungen der letzten Jahre untersuchen immer mehr den Darm zum besseren Verständnis und zur Behandelbarkeit extrem komplizierter und kostspieliger Erkrankungen! Darunter nicht nur körperliche, sondern auch geistige Erkrankungen. Einige Studien untersuchen das Mikrobiom nicht nur hinsichtlich seiner anti-entzündlichen Substanzen, sondern auch als Ziel für neue Medikamente. Dies bedeutet, dass Medikamente erforscht werden sollen, die nicht z.B. für Depression im Gehirn wirken, sondern direkt auf unsere Darmbakterien. Viele Forscher und Ärzte, sowie Studienleiter sind sich einig, dass dies einen wichtigen Schritt von der Symptombehandlung zur ursächlichen Therapie darstellt.
So hat ein renommiertes Journal für Ernährung eine Meta-analyse (also Untersuchung einer Vielzahl an Literatur) veröffentlicht und kam zu dem Entschluss, dass einige Probiotika einen handfesten Effekt gegen Depression erzielen können, und ist damit nicht allein.
Dies zeigt nicht nur den potenziellen Nutzen der Erforschung der Darm-Hirn-Achse, sondern auch die Macht und den Einfluss, den wir auf unseren eigenen Geist haben können, indem wir ausgewogen und gesund leben.