Bereits vor einiger Zeit haben wir einen Artikel zum Mikrobiom publiziert, in dem wir generelle Aufgaben und Probleme von und um unsere Darmflora dargelegt haben. Da jedoch die Wichtigkeit unserer Mitbewohner häufig vergessen oder schnell abgehandelt wird, möchten wir hier vertiefend einige Aspekte ansprechen, sowie generelle Vertreter unserer erwünschten Darmbakterien. Weiter möchten wir hier einige spezielle Fälle und Beispiele, sowie neue Erkenntnisse diesbezüglich teilen.
Wer wohnt wo?
Prinzipiell unterscheidet man bei unseren Darmbakterien aerobe (also sauerstoff-abhängige) und anaerobe (sauerstoff-unabhängige) Keime. Dies ist für jeden interessant, der seine Darmbakterien analysieren möchte oder dies bereits in der Vergangenheit getan hat, da diese Aufteilung Auskunft darüber gibt wo wir welche Mikroorganismen in uns finden und wie diese in weiterer Folge mit unserem Wohlbefinden zusammenhängen.
Unsere innewohnenden aeroben Keime finden sich größtenteils im Dickdarm. Dazu gehören:
- Escherichia coli (E. coli): Sie besiedeln ausschließlich den Dickdarm und sind hart im Nehmen, da sie sich auf unterschiedlichste Nahrungsangebote einstellen können. Sie bilden wichtige Substanzen die unerwünschte Keime von der Besiedelung des Dickdarms abhält. Dies geht sogar so weit, dass moderne Forschung immer mehr unsere eigenen Bakterien untersucht, um neue Antibiotika zu finden! Durch spezielle Oberflächen trainieren unsere gewünschten E. coli außerdem unser Immunsystem. Sie spalten weiterhin die letzten verwertbaren Stoffe die im Dickdarm ankommen und wandeln diese zu Kraftstoffen für unsere Schleimhaut und Säuren um, welche den Darm ansäuern. E. Coli sind außerdem Wegbereiter für andere Bakterien, da sie wichtige Parameter im Darm konstant halten. Wichtig: Unser Immunsystem ist auf unsere Stämme von E. coli angepasst! Nicht jeder E. coli Stamm ist unbedenklich!
- Enterococcus spp. (spp. = mehrere Spezies): Diese unterschiedlichen Stämme der Enterokokken-Familie besiedeln Dick- und Dünndarm. Sie sind resistent gegen Säure, weshalb sie sich im Dickdarm wohlfühlen, aber auch resistent gegen unsere eigene Galle. Deshalb finden wir sie auch bereits im Dünndarm. Sie spalten bevorzugt komplexe Stärke oder Zucker, können aber auch zum Teil Proteine spalten. Enterokokken bilden starke Abwehrsubstanzen die Keime aus der Nahrung abtöten, bzw. am Wachstum hemmen und sind somit entscheidend für unsere Gesundheit!
Unsere anaeroben Keime sind erheblich vielfältiger in uns und haben eher spezialisierte Aufgaben im Vergleich zu den aeroben:
- Lactobacillus spp. (Milchsäurebakterien Spezies): Sie finden wir im Dick- und Dünndarm, da sie zwar eigentlich keinen Sauerstoff benötigen, sich jedoch auch nicht dadurch stören lassen, wie andere anaerobe Keime. Sie verwerten ausschließlich Kohlenhydrate und verwerten diese teilweise zu leichten Säuren, was den pH-Wert des Darms reguliert und uns vor ungewünschten Keimen wie Pilzen oder Bakterien schützen, welche eher neutrale oder basische pH-Werte suchen.
- Bacteroides spp.: Sie finden wir ausschließlich im Dickdarm, obwohl diese Spezies den größten Anteil der Darmflora stellen. Man kann sie als Besiedelungsschutz (oder Füllmaterial) ansehen, da sie durch ihre Masse hauptsächlich das Ansiedeln von anderen Mikroorganismen verhindern. Sie können zwar kleine Mengen an Protein und Kohlenhydraten verarbeiten, zeichnen sich jedoch eher durch einen trägen Stoffwechsel aus. Sie sind jedoch auf manche Einflüsse sehr empfindlich, wenn also z.B. unsere E. coli oder Enterokokken durch etwa Antibiotika in Mitleidenschaft gezogen werden, sterben Bacteroides sehr schnell und in großer Zahl ab, was viel Fläche für opportunistische Mikroorganismen schafft. Deswegen: Bereits während der antibiotischen Therapie die Darmflora unterstützten!
- Bifidobacterium spp.: Sie besiedeln ebenfalls bevorzugt den Dickdarm, können jedoch – je nach Stamm – auch zum Teil im Dünndarm siedeln. Sie verwerten Kohlenhydrate und sind wichtig für die Regulation von Entzündungssignalen im Darm. Sie tragen unter anderem dazu bei, dass die Zusammensetzung und das Verhältnis unserer Darmflora konstant bleiben und Studien zeigten, dass unterschiedliche Bifidusbakterien-Stämme unterschiedlichste Vorteile haben. So wurde z.B. festgestellt, dass die Gabe von Bifidusbakterien bei Colitis ulcerosa den Therapieerfolg maßgeblich verbessert und die chronische Entzündung nachhaltiger eindämmt, als eine rein konservative Therapie. Bifidobacterium longum wurde bewiesenermaßen erfolgreich zur verbesserten Behandlung von Depression eingesetzt, wie mehrere Studien zeigten. Hier drei Beispiele (siehe Hyperlinks).
- Clostridien: Hier sollte man sofort vorweg erwähnen, dass diese absolut notwendig sind, jedoch nur in geringer Anzahl physiologisch sind. Clostridien zeichnen sich durch eine hohe Stoffwechselaktivität aus, besiedeln ausschließlich den Dickdarm und können eine Vielzahl unterschiedlichster Nahrungsquellen verwenden. Sie wurden kürzlich – in physiologischen Mengen – mit der Reduktion des Darmkrebsrisikos in Verbindung gebracht! Sie florieren unnatürlich schnell wenn wir zu viel, zu schnell, falsch oder ungesund essen. Durch ihren schnellen Stoffwechsel können sie andere Mikroorganismen verdrängen und das gesamte System kippen, also z.B. auch den pH-Wert ins basische verschieben und so die Besiedlung von etwa Lactobacillus Spezies extrem einschränken! Außerdem ist hierzu erwähnen, dass nicht jeder Clostridien-Stamm gut für uns ist. Clostridium deficile kann potenziell krebserregende Substanzen oder sogar Gifte bilden die in manchen Fällen sogar – unbehandelt – tödlich sein können.
Mukosaprotektive Flora – Die Wächter der Wächter
Obwohl wir uns hauptsächlich mit unseren Darmbakterien auseinandersetzen, sollten wir nicht den Blick aufs Große und Ganze verlieren, denn unsere Gesundheit ist die Summe aller unserer Organe. Genauso ist ein gesunder Darm nur dann einer, wenn sowohl Darmbakterien, als auch Darmschleimhaut (=Mukosa) im Einklang miteinander sind. Wie beeinflussen also unsere Darmbakterien die Schleimhaut? Hauptsächlich durch zwei Mitglieder unseres Mikrobioms:
- Akkermansia muciniphila: Diese Bakterium macht nur etwa 1% der Darmflora aus und spaltet den Schleim, der von der Schleimhaut abgegeben wird und bildet sowohl Stoffwechselprodukte die das Faecalibacterium prausnitzii erhalten, als auch die Zellen der Darmschleimhaut nähren. Ohne Akkermansia können die Schleimhautzellen ihre Arbeit nicht optimal verrichten, die Leistung fällt ab, es kommt zu Abnahme der Immunleistung, Entzündungsneigung, erhöhter Ausschüttung von Stress-Signalen, etc. Akkermansia hat nachweislich einen positiven Einfluss auf die Schutzfunktion der Darmbarriere, das Körpergewicht, das Entzündungsgeschehen und die Insulinsresistenz.
- Faecalibacterium prausnitzii: Dieses Bakterium benötigt zwangsläufig das Batkerium Akkermansia muciniphila um seine Zahl hoch zu halten. Es wirkt hauptsächlich auf das Entzündungsgeschehen, bedeutet also es verhindert überschießende Immunantworten des Darms. Dies geschieht hauptsächlich durch das Hemmen und Regulieren von Immunsignalen aus der Gruppe der Interleukine. Denn dieses Bakterium hilft unseren T-Zellen sich korrekt in entzündungshemmende T-Zellen umzuwandeln und verhindert, dass sich diese vermehrt in entzündungsfördernde T-Zellen umwandeln. Außerdem ist das Faecalibacterium prausnitzii ähnlich wie Akkermansia wichtig für unsere Darmschleimhautzellen. Denn diese ernährt sich aus kurzkettigen Fettsäuren, u.A. Buttersäure, welche hauptsächlich durch Faecalibacterium prausnitzii hergestellt wird!